Aus der zweiten Reihe
Mit einer Biografie tritt Margit Fischer aus der zweiten Reihe. Ein Lebensbericht als politisches Manifest und Spiegel der Nachkriegsgeschichte.
Vom Flüchtlingskind zur „First Lady“: Margit Fischer, Gattin des Bundespräsidenten, präsentierte in Graz ihre Biografie.
Er habe noch schnell eine Kleinigkeit für „seine Margit“besorgen müssen, entschuldigt Heinz Fischer vor Jahren sein Zuspätkommen zu einem Interviewtermin in Graz. Er begründet es mit „Hochzeitstag“. Einer von mehr als 500, die die Fischers in den letzten 47 Jahren zelebriert haben. „Wir feiern an jedem 20. eines Monats“, erklärt Margit Fischer das ungewöhnliche Zeitrechnungsmodell.
Verdichtungsrituale einer symbiotischen Verbindung, die über die vergangenen Jahrzehnte eine klare Rollenverteilung mit sich gebracht hat: Auf der einen Seite der Mann im hell ausgeleuchteten Rampenlicht der Spitzenpolitik. Auf der anderen Seite die Frau. Immer dabei, aber nie ganz
vorne. Margit Fischer – eine Konstante des Hintergrunds, die jetzt bricht. Acht Monate vor Ende der zweiten Amtszeit ihres Gatten als Bundespräsident ist Margit Fischer mit einer Biografie aus der Kulisse getreten.
Nach einigen derartigen Anfragen von Verlagen in den letzten Jahren erwartbar, aber für viele dennoch überraschend. Jedenfalls bezeichnend für ihr Leben als Spitzenpolitiker-Gattin: Wähpäischer er Karriere macht(e), hebt sie das Zuhause in den Mittelpunkt. Es ist ein knochentrockenkonservatives Familienbild, das das aus sozialdemokratischem Urgestein gehauene Ehepaar vorlebt. „Andere hätten es vielleicht anders gemacht, für uns und mich hat’s gestimmt.“So beantwortet Margit Fischer Donnerstag auf der Bühne des Kleine Zeitung-Salons im Grazer Styria Media Center Fragen nach Verzichtsmomenten im eigenen Leben.
„Andere hätten es vielleicht anders gemacht, für uns und mich hat’s gestimmt. Margit Fischer über das Leben neben einem Spitzenpolitiker
Brüche und Kontinuitäten
Auch der Zeitpunkt für das Buch hat jetzt für sie gestimmt. Es ist ein später, aber bewusster Schritt. Heraus aus dem Schatten und tief hinein in das biografische Wurzelgeflecht ihrer eigenen Familie. Eine Historie, die sie selbst als „ein Stück mitteleuro- Geschichte“bezeichnet, weil „sich darin die Brüche und Kontinuitäten dieses Kontinents zu dieser Zeit spiegeln“.
Ihre Eltern emigrieren vor den Wirren des Zweiten Weltkriegs aus Österreich nach Schweden. Ihr Vater, aus einer jüdischen Schneiderfamilie in Mähren stammend, ist unter den 5000 bis 6000 Flüchtlingen und nur einer von drei Mitgliedern aus der eigenen Familie, die so der Verfolrend
gung der Nazis entgehen. Margit kommt 1943 in Stockholm als „trovolingsbarn“, als Kind nicht verheirateter Eltern, auf die Welt. Mit sechs Jahren kehrt die junge Familie nach Österreich zurück.
Die besondere Bindung zu Schweden ist aber bis heute konserviert, ihr Verständnis von Heimat differenziert: „Es ist nicht nur eine, die man verorten kann, also Österreich, sondern eine, die aus Wertvorstellungen besteht.“ Diese Werte sind es, denen das Buch mit dem Titel „Was wir weitergeben“als Trägermedium dienen soll.
Harmonie-Akkorde
Es ist ein Ideologiemodell, geprägt durch das Leben an der Seite eines Stammspielers des Spitzenfunktionärskaders der SPÖ, der die „Sowohl als auch“-Diplomatie zum Markenzeichen gemacht hat. „Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, dass in jedem Flüchtling ein potenzieller Nobelpreisträger steckt. Aber es steckt auch nicht in jedem Flüchtling ein potenzieller Feind oder Sozialschmarotzer“, kommentiert sie das beherrschende Thema dieser Tage. Man hört ihn reden, wenn sie spricht.
Ein Duett, das der Klaviatur des gemeinsamen Lebens nur Harmonie-Akkorde abringt. So überrascht es auch nicht, dass Margit Fischer ihre Ehe mithilfe dreier Karriereschritte ihres Mannes katalogisiert: Vom Mandatar über den Klubchef und Minister bis zum zweifachen Präsidenten (Nationalrat, Republik) – sie war immer dabei, wenn auch manchmal nur im Wohnzimmer der Wiener Altbauwohnung. Und jetzt? Kommt es noch zum Rollentausch? „Nein, nein, nein.“Vehement wehrt Margit Fischer diese Zukunftsperspektive ab.