Notsituation“
„Unsere
Republik ist wunderbar organisiert und verwaltet, aber in Notsituationen sind wir völlig aufgeschmissen.“
Christian Konrad, Flüchtlingskoordinator
Noch in Traiskirchen konnte er den langjährigen StrabagChef Hans Peter Haselsteiner in einem Kurztelefonat dazu bewegen, drei Sanitärcontainer zur Verfügung zu stellen. Innerhalb von 48 Stunden waren die Container geliefert, angeschlossen und in Betrieb. Ein paar Tage danach trudelte bei Konrad die bitterböse Beschwerde ein, dass in Traiskirchen „betriebsfremde Objekte“herangekarrt und widerrechtlich abgestellt worden waren. „Ich habe den Verantwortlichen gesagt: Der Beamte, der damit ein Problem hat, soll sich bei mir melden“, erzählt Konrad süffisant. „Ich habe dann nie mehr was davon gehört.“
Zwei Wochen nach Einsetzen der Flüchtlingswelle schrillten plötzlich die Alarmglocken. Zehntausende Flüchtlinge drohten Mitte September in Nickelsdorf zu stranden. In den ersten Tagen hatte die ÖBB Syrer oder Irakis mit Zügen und Bussen nach Wien oder Salzburg weitertransportiert. Wegen des Schulbeginns musste die ÖBB einen Großteil der Busflotte abziehen. Bei der Suche nach einer Alternative stieß man auf ein unüberwindbares Hindernis: Jede Anmietung von privaten Bussen
durch den Staat muss europaweit ausgeschrieben werden. Bei dem Ansturm hätte sich Nickelsdorf in ein riesiges Flüchtlingscamp verwandelt. Findige Juristen fanden in letzter Minute einen Ausweg: Statt vom Staat wurden die Busse vom Roten Kreuz angemietet.
Das Bundesamt für Fremdenwesen droht derzeit in Asylanträgen unterzugehen. 2013 suchten 12.000 Personen um Asyl an, 2014 30.000, heuer sind es vielleicht sogar 90.000. Kürzlich bot der Chef einer riesigen Wiener Kanzlei der Regierung an, dass seine mehr als 100 Anwälte bereit seien, den heillos überforderten Behörden bei der Bearbeitung der Akten gratis unter die Arme zu greifen. Doch das Vorhaben stockt – nicht, weil eine solche Personalüberlassung rechtlich nicht möglich ist, sondern weil die Kanzlei nicht über die entsprechende gewerbliche Berechtigung verfügt.
„Unsere Republik ist wunderbar organisiert und verwaltet, aber in Notsituationen sind wir völlig aufgeschmissen“, konstatiert Konrad. „Ich tue mir da leicht. Ich kann keinen Amtsmissbrauch begehen, weil ich kein Amtsträger bin.“