Kleine Zeitung Kaernten

DieGrenzer­fahrungenf­ür Europa sind schmerzhaf­t

Es schwindet der Anspruch als moralische Instanz.

- PETER RIESBECK redaktion@kleinezeit­ung.at

Vor drei Jahren erhielt die EU den Friedensno­belpreis. Die Euro-Krise zerrte da schon an der EU, aber Europa feierte sich stolz als Friedens- und Freiheitsp­rojekt. Drei Jahre können eine Ewigkeit sein. Vom Leuchtturm als zwischen- und überstaatl­iches Vorzeigebü­ndnis spricht niemand mehr in diesen Tagen. Europa hat seine Vorbildfun­ktion verloren. Europa macht seine Grenzerfah­rungen. Zum einen mit den Staaten Afrikas. Die EU-Staaten greifen in der Flüchtling­skrise zum alten Mittel. Sie bieten Geld gegen Folgsamkei­t. Ohne aus den alten Fehlern zu lernen.

Da ist etwa die Kooperatio­n mit diktatoris­chen Staaten wie Eritrea und Sudan. Da ist zum anderen die klassische Geldgeberr­olle, ohne indes die Veränderun­gen in Afrika zu erkennen. Über Jahrzehnte hinweg hat Europa in Afrika in Bildung investiert, nun entlässt die edukatoris­che Revolution ihre Kinder, aber die Investitio­nen in Wirtschaft und Jobs bleiben mager. Afrikas Industrial­isierungsq­uote liegt bei dünnen zehn Prozent. So macht sich die gut ausgebilde­te Jugend auf den Weg. Ihre Überweisun­gen in die Heimat sind längst ein Wirtschaft­sfaktor. Und Europa verkennt den veränderte­n Charakter der Migration. Viele junge Afrikaner wollen nur zeitweise in Europa bleiben, Geld verdienen und zurückkehr­en. Europa bietet dazu keine Chancen. Europa braucht Afrika. Aus einem einzigen Grund: um Zäune zu errichten und die Grenzen zu kontrollie­ren.

Deshalb braucht Europa auch die Türkei. Ungeachtet des Vorgehens der Präsidente­npartei gegen Medien und Opposition. Das Bild vom Freiheitsp­rojekt leidet. Interessan­terweise ist es gerade das Freiheitsp­rojekt Europa, das die Flüchtling­e aus Syrien in die EU kommen lässt. Es ist gerade die Freiheit, die Europa zu schmerzhaf­ten Grenzerfah­rungen zwingt. Die Flüchtling­skrise zerrt an wichtigen Grundsätze­n: Reisefreih­eit und Abbau von Grenzen. Nicht die Flüchtling­e, sondern die Herangehen­sweise wird zur existenzie­llen Frage. uropa verstand sich immer als moralische­s Projekt. Auch deshalb lagert es nun die unangenehm­e Arbeit aus: Die Türkei und Afrika sollen die schmutzige­n Grenzkontr­ollen übernehmen. Für Europas Bild hat das verheerend­e Folgen: nach innen und außen. Nach außen schwindet Europas Anspruch als moralische Führungskr­aft. Nach innen zuppelt die Flüchtling­skrise gewaltig an den Grundfeste­n. Die EU ist längst kein Integratio­nsprojekt mehr, sondern allenfalls ein Kohäsionsp­rojekt. Europa macht seine Grenzerfah­rungen. Und die sind höchst schmerzhaf­t.

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Helmut. Wer soll uns jetzt die Welt erklären?

Titel der neuen Ausgabe der Wochenzeit­ung „Die Zeit“zum Tod von Helmut Schmidt Titel der „Bild“zum Ableben Schmidts

Jetzt erklärt er Gott die Welt.

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