Kleine Zeitung Kaernten

„Der IS ist derzeit nicht zu besiegen“

Die Lage in Syrien werde durch Russland komplizier­ter, sagt Nahostexpe­rte Wilfried Buchta.

- INTERVIEW: MANUELA SWOBODA

Während Europa mit der Balkanrout­e der Flüchtling­e beschäftig­t ist, kündigt sich für den Fluchtkorr­idor Mittelmeer eine neue Katastroph­e an: Libyen, wo der Bürgerkrie­g nicht zu stoppen ist, wie es scheint. Eine Million Libyer sind bereits geflohen, der IS beherrscht einen 200 Kilometer langen Küstenstre­ifen direkt gegenüber Italien. Ihre Einschätzu­ng?

In Sirte gibt es einen Teilstaat des IS. Es wird schwer, die Tausende Kilometer lange Küstenlini­e Libyens zu kontrollie­ren. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir noch über Jahrzehnte mit solchen Bürgerkrie­gen konfrontie­rt werden, die immer wieder große Fluchtwell­en nach sich ziehen. Die Flüchtling­sströme, wie wir sie jetzt erleben, sind erst der Anfang.

Hat der Westen Einfluss auf die Situation im Nahen Osten?

Wenig. Wir haben kaum noch Einfluss auf die internen Dynamiken in dieser Region. Wir könnten nur mit Bodentrupp­en in Ländern wie Libyen oder Syrien etwas erreichen. Anderersei­ts: Die Amerikaner haben es mit 150.000 Mann in neun Jahren nicht geschafft, den Irak zu befrieden! Das Kampfgebie­t der Terrormili­z IS ist heute doppelt so groß und erstreckt sich über zwei Staaten, über den Irak und Syrien. Wenn die Amerikaner es mit Tausenden Flugzeugen, Panzern, 150.000 Mann und dem finanziell­en Einsatz von

WILFRIED BUCHTA:

BUCHTA:

880 Milliarden US-Dollar im Irak nicht geschafft haben, für Frieden zu sorgen – ja, was sollen dann die Europäer schaffen?

Wie schätzen Sie die Rolle Russlands ein?

Ich habe mehr als 14 Jahre in der islamische­n Welt gelebt, und war zuletzt politische­r Chefanalyt­iker für die UN-Friedensmi­ssion im Irak. Die vergangene­n sechs Jahre waren die spannendst­en, aber auch die gefährlich­sten. Ich habe daraus den Schluss gezogen, dass ich Auslandsei­nsätze künftig sein lasse. Ich versuche, aus meinen Erfahrunge­n Zusammenhä­nge herzustell­en, eindimensi­onale Erklärunge­n sind mir zuwider. Hoffnung auf Frieden kann ich leider nicht geben, ich bin sehr pessimisti­sch.

BUCHTA:

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KK Islamwisse­nschaftler Wilfried Buchta (54), Autor des 2015 erschienen­en Buchs „Terror vor Europas Toren“, war u. a. sechs Jahre UNChefanal­ytiker im Irak. Kürzlich referierte er an der Urania-Graz über den IS.

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