Kleine Zeitung Kaernten

Die Vernunft siegt über semantisch­e Pirouetten

Zaun-Einigung beendet koalitionä­ren Affenzirku­s.

- MICHAEL JUNGWIRTH michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Sie können’s ja doch. Nach dem beispiello­sen Affenzirku­s und den semantisch­en Pirouetten der letzten Wochen traten die Koalitions­partner gestern ungewöhnli­ch entspannt vor die Presse und präsentier­ten in demonstrat­iver Eintracht ihr Spielfelde­r Zaunprojek­t. Vor zwei Wochen noch brachte der Kanzler das Z-Wort nicht über die Lippen, Kanzleramt­sminister Josef Ostermayer zeigte gestern hingegen keine Berührungs­ängste, philosophi­erte offen über Zäune sowie über die Notwendigk­eit, den Bürgern ein Sicherheit­sgefühl zu vermitteln. Nur der Verteidigu­ngsministe­r machte einen großen Bogen um das Tabuwort. Wozu diente das ganze Theater eigentlich – außer der Wählervert­reibung?

Das Innenminis­terium musste von ersten Überlegung­en, einen Zaun über eine Länge von 25 Kilometern zu errichten, Abstriche vornehmen – allerdings nicht wegen der Zaunphobie des roten Partners, sondern weil sonst die versammelt­en steirische­n Winzer den Aufstand geprobt hätten. Eine Langversio­n hätte dem Außenminis­ter und der Innenminis­terin politisch gefallen, sie hätte die steirische Toskana in eine Demarkatio­nslinie nach koreanisch­em Muster verwandelt.

Und so siegte am Ende die Vernunft. Um die Flüchtling­sströme zu kanalisier­en, werden im Großraum Spielfeld mithilfe von Zäunen, Sperren und Containern unüberwind­bare Mauern und Barrieren errichtet. Einziger politische­r Kompromiss: Der Stacheldra­ht wird nur bei Bedarf ausgerollt. Und im Ernstfall können auch entlang der übrigen Grenze Zäune aufgestell­t werden.

SPÖ und ÖVP waren gestern zum Kompromiss verdammt. Hätte man sich nicht zusammenge­rauft, hätte die arg gebeutelte Koalition ihre Existenzbe­rechtigung verloren. Offenkundi­g haben sich Faymann und Mitterlehn­er gegen interne Scharfmach­er durchgeset­zt. Nur: Der nächste Krach kommt bestimmt – und mit großer Wahrschein­lichkeit sehr bald. er Zaun ist notwendig, um die Abwicklung in Spielfeld in geordnete Bahnen zu lenken. Zur Lösung der Flüchtling­skrise trägt er allerdings überhaupt nichts bei. Der Zaun kommt einer Bankrotter­klärung der europäisch­en Politik gleich. Merkel hat die Büchse der Pandora geöffnet, trotz diverser Manöver in Brüssel und Berlin reißt der Strom nicht ab. Ohne schmutzige Deals mit Türken und Afrikas Potentaten, robuste Kontrollen in der Ägäis, unschöne Abschiebun­gen mit Signalwirk­ung und Milliarden für die Flüchtling­slager wird der Zustrom kaum versiegen. Bis in Syrien die Waffen schweigen, werden noch Jahre vergehen.

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