Die Vernunft siegt über semantische Pirouetten
Zaun-Einigung beendet koalitionären Affenzirkus.
Sie können’s ja doch. Nach dem beispiellosen Affenzirkus und den semantischen Pirouetten der letzten Wochen traten die Koalitionspartner gestern ungewöhnlich entspannt vor die Presse und präsentierten in demonstrativer Eintracht ihr Spielfelder Zaunprojekt. Vor zwei Wochen noch brachte der Kanzler das Z-Wort nicht über die Lippen, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer zeigte gestern hingegen keine Berührungsängste, philosophierte offen über Zäune sowie über die Notwendigkeit, den Bürgern ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Nur der Verteidigungsminister machte einen großen Bogen um das Tabuwort. Wozu diente das ganze Theater eigentlich – außer der Wählervertreibung?
Das Innenministerium musste von ersten Überlegungen, einen Zaun über eine Länge von 25 Kilometern zu errichten, Abstriche vornehmen – allerdings nicht wegen der Zaunphobie des roten Partners, sondern weil sonst die versammelten steirischen Winzer den Aufstand geprobt hätten. Eine Langversion hätte dem Außenminister und der Innenministerin politisch gefallen, sie hätte die steirische Toskana in eine Demarkationslinie nach koreanischem Muster verwandelt.
Und so siegte am Ende die Vernunft. Um die Flüchtlingsströme zu kanalisieren, werden im Großraum Spielfeld mithilfe von Zäunen, Sperren und Containern unüberwindbare Mauern und Barrieren errichtet. Einziger politischer Kompromiss: Der Stacheldraht wird nur bei Bedarf ausgerollt. Und im Ernstfall können auch entlang der übrigen Grenze Zäune aufgestellt werden.
SPÖ und ÖVP waren gestern zum Kompromiss verdammt. Hätte man sich nicht zusammengerauft, hätte die arg gebeutelte Koalition ihre Existenzberechtigung verloren. Offenkundig haben sich Faymann und Mitterlehner gegen interne Scharfmacher durchgesetzt. Nur: Der nächste Krach kommt bestimmt – und mit großer Wahrscheinlichkeit sehr bald. er Zaun ist notwendig, um die Abwicklung in Spielfeld in geordnete Bahnen zu lenken. Zur Lösung der Flüchtlingskrise trägt er allerdings überhaupt nichts bei. Der Zaun kommt einer Bankrotterklärung der europäischen Politik gleich. Merkel hat die Büchse der Pandora geöffnet, trotz diverser Manöver in Brüssel und Berlin reißt der Strom nicht ab. Ohne schmutzige Deals mit Türken und Afrikas Potentaten, robuste Kontrollen in der Ägäis, unschöne Abschiebungen mit Signalwirkung und Milliarden für die Flüchtlingslager wird der Zustrom kaum versiegen. Bis in Syrien die Waffen schweigen, werden noch Jahre vergehen.
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