In der Stadt derLiebekehrt nun Stille ein
Am Tag nach dem größten Terrorangriff in der Geschichte Frankreichs sucht ein Land nach Antworten. Und lässt sich nicht unterkriegen.
Am Tag danach kehrt Stille in Paris ein. Die Sirenen der Einsatzwagen von Polizei und Ambulanz sind verstummt. Die Maschinenpistolen-Salven der Terroristen sind verhallt, der Explosionsdonner, den das Zünden ihrer Sprengstoffgürtel ausgelöst hatte, ebenfalls.
Augenzeugen, die schluchzend und stammelnd nach Worten suchten, haben die Fassung wiedergefunden. Nicht einmal die einen Pariser Samstagmorgen prägenden Alltagsgeräusche sind zu vernehmen. Da ist kein Kindergeschrei auf den Schulhöfen, traben keine Jogger keuchend über das Marsfeld am Eiffelturm. Das Verkehrsaufkommen am Seine-Ufer ist so gering, dass sogar Vogelgezwitscher ans Ohr dringt.
Aber das ist ja auch nicht Pariser Alltag. Es ist der Ausnahmezustand nach den schwersten Terroranschlägen in der franzö- Geschichte. Vor dem Fußballstadion im Vorort SaintDenis, auf Bistro-Terrassen des trendigen zehnten und elften Arrondissements oder auch im Konzertsaal Bataclan, wo die Band Eagles of Death Metal 1500 Rockfans einheizte: An sieben verschiedenen Tatorten haben islamistische Terrorkommandos am späten Freitagabend zugeschlagen, mit derselben Brutalität und fast zur selben Zeit.
Möglichst schnell möglichst viele Menschen umbringen, das war das Ziel der offenbar von der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) aus der Ferne gesteuerten Angreifer. Der IS hat sich am Nachmittag im Internet zu den Pariser Massakern bekannt.
War es bei den Anschlägen auf die Redaktionsräume des Satireblattes „Charlie Hebdo“oder einen jüdischen Supermarkt Anfang des Jahres noch darum ge- gangen, bestimmte Zielgruppen zu terrorisieren, nämlich Journalisten und Juden, stand diesmal Massenmord auf der Agenda. 129 Tote sind zu beklagen. In Pariser Kliniken werden mehr als 350 Verletzte behandelt, 99 von ihnen schweben in Lebensgefahr.
Tränen und Blumen
Vor dem Bataclan legen Passanten Blumen nieder. Schon bald säumt ein Spalier von Sträußen den Eingang. Ein Anrainer rollt ein Klavier über den Gehweg, intoniert „Imagine“von John Lensischen non, „um den Opfern die letzte Ehre zu erweisen“, wie der Pianist sagt. Eine Frau tritt hinzu, erkundigt sich nach dem Krankenhaus La Pitié Salpêtrière. Sie will Blut spenden für die Opfer. Es hätte jeden treffen können, mich auch, sagt sie.
Menschen haken sich unter, stimmen die Marseillaise an, die so optimistisch vorwärtsdrängende französische Nationalhymne, machen sich auf den Weg Richtung Place de la République. Bis auf Weiteres sind sämtliche Kundgebungen verboten, aber