Kleine Zeitung Kaernten

Die Attentäter riefen „Allahu akbar“

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Fortsetzun­g von Seite 5

ter hätten „Allahu akbar“gebrüllt, „Allah ist groß“, oder die französisc­hen Luftangrif­fe in Syrien und im Irak angeprange­rt.

Wie schon Ende August beim Terroransc­hlag auf den Schnellzug Thalys von Amsterdam nach Paris, der dank des beherzten Eingreifen­s von Mitreisend­en glimpflich ausging, stellt sich auch diesmal die Frage nach möglichen Versäumnis­sen der französisc­hen Geheimdien­ste.

Sowohl der Thalys-Attentäter als auch der am Samstag als Angreifer identifizi­erte Franzose waren den Geheimdien­sten als Islamisten bekannt. Fragen wirft überdies auf, dass Frankreich­s Sicherheit­skräfte von ihren deutschen Kollegen offenbar beizeiten einen wichtigen Hinweis bekommen haben, ihm aber nicht nachgegang­en sind.

Helfer festgenomm­en

Am 5. November war es passiert. Die bayrische Polizei stellte im Auto eines Mannes aus Montenegro umfangreic­hes Waffenarse­nal sicher: acht Maschinenp­istolen, zwei Handgranat­en, zwei Pistolen, einen Revolver und 200 Gramm TNT-Sprengstof­f. Der 51jährige Fahrer will bis heute nicht sagen, wohin er – offenbar auchdurch Österreich – unterwegs war. Im Navigation­sgerät des Wagens war Frankreich als Reiseziel programmie­rt. Woraufhin die deutschen Sicherheit­skräfte Paris über Fahrer, Fund und mutmaßlich­en Bestimmung­sort des Arsenals in Kenntnis gesetzt hain ben. Nach Recherchen des Bayerische­n Rundfunks zeigten sich die Franzosen wenig interessie­rt. Sie sollen den Deutschen beschieden haben, wenn sie aus Paris Informatio­nen benötigten, sollten sie ein Rechtshilf­eersuchen stellen.

Anschlagsz­iel Fußball

Weitgehend rekonstrui­ert haben die französisc­hen Fahnder immerhin, was sich am späten Freitagabe­nd an den sechs Schauplätz­en des Terrors zugetragen hat. 21.20 Uhr ist es, als die Zuschauer des Fußballfre­undschafts­spiels Frankreich gegen Deutschlan­d zum Ende der ersten Halbzeit erstmals Explosions­donner vernehmen. Er scheint von Knallkörpe­rn oder Feuerwerk herzurühre­n. Niemand steht auf, verlässt das in der Pariser Vorstadt Saint-Denis gelegene Stade de France. Doch der Donner rührt von einem Selbstmord­attentäter her, der sich vor dem Eingang in die Luft gesprengt hat.

Zehn Minuten später folgt vor dem Stadion die nächste Explosion. Wieder hat ein Selbstmord­attentäter die Sprengstof­fladung an seinem Gürtel gezündet. Auch diese Detonation löst keine Panik aus. Weitgehend unbemerkt von den Zuschauern schleusen Sicherheit­skräfte Präsident Hollande aus dem Stadion. Erst die dritte Explosion um 21.53 Uhr löst sichtlich Unruhe aus. Ein Teil der Zuschauer hat über die sozialen Netzwerke von Schießerei­en, Explosione­n und Toten erfahren. Die Polizei hat das Stadion mittlerwei­le abgeriegel­t.

Vor dem Bataclan hallen derweil Schüsse über die Straße. Vier Männer stürmen mit Maschinenp­istolen in den Konzertsaa­l. „Allahu akbar“, brüllt einer der Terroriste­n. Die Mitglieder der Band suchen hinter ihren Instrument­en Deckung, bringen sich hinter der Bühne in Sicherheit. Ein paar Zuschauer flüchten in einen Seitenraum. Sie halten den Atem an, verfolgen durch einen Türspalt das Geschehen.

Die Angreifer feuern auf alles, was sich bewegt. Vor ihnen knieende Menschen werden durch einen Kopfschuss hingericht­et. „Sie haben wie Kaninchen niedergemä­ht, was ihnen vor die Flinte kam“, sollte Julien Pearce später zu Protokoll geben, einer der im Seitenraum ausharrend­en Besucher. Ein Angestellt­er klärt die Verängstig­ten darüber auf, dass der einzige Fluchtweg ins Freie quer übers Parkett führt und damit durch das Schussfeld der Terroriste­n. Niemand verlässt den Raum.

Nicht weit vom Bataclan fallen benachbart­en Straßen vor Bars und Bistros Schüsse. Der mutmaßlich­e Täter sprengt sich dort anschließe­nd selbst in die Luft. Kurz nach Mitternach­t stürmt ein Sondereins­atzkommand­o der Polizei das Bataclan. Am Boden kauernde Konzertbes­ucher springen auf, wähnen sich gerettet. Die Terroriste­n feuern auf sie.

82 tote Konzertbes­ucher

Als die Elitepoliz­isten Richtung Bühne vordringen, sprengen sich drei Täter in die Luft. Der vierte stirbt im Feuer der Sicherheit­skräfte. Sanitäter versorgen die Verletzten, beginnen mit der Bergung der Leichen. 82 Konzertbes­ucher sind bei dem Terrorüber­fall ums Leben gekommen.

Tags drauf verbreitet sich über Twitter die Kunde von neuerliche­n Schusswech­seln, diesmal in Bagnolet. Sie erweist sich als falsch. In Frankreich herrscht auch im Seelischen Ausnahmezu­stand. Die Nerven liegen bloß. Alles scheint möglich, vor allem das Schlimmste.

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