„Ein Horror, ein Albtraum!“
Warum schon wieder Frankreich, warum wieder Paris? Ursula Plassnik, Österreichs Botschafterin in Paris, über die Anschläge und ihre Folgen.
Frau Botschafterin, wie erleben Sie Paris und Frankreich nach den Anschlägen von Samstag? URSULA PLASSNIK: Nach dem ersten Schock gilt meine Sorge nun den unmittelbar betroffenen Österreichern. Eine Handvoll junger Leute waren beim Konzert im Bataclan, sie haben Unfassbares erlebt und brauchen jetzt Sicherheit und Ruhe. Wir haben sie an einen sicheren Ort gebracht und kümmern uns mit vollem Einsatz um sie und ihre Angehörigen.
Trafen die Terrorattacken das Land unvorbereitet? PLASSNIK: Ja und nein. Es gilt in Frankreich seit den Anschlägen im Jänner die höchste Terrorwarnstufe, das spürt jeder in Paris aufgrund der massiven Anwesenheit von Sicherheitskräften. Es hat aber noch nie Selbstmordattentäter in Paris gegeben, davon scheint die französische Polizei auszugehen. Simultane Anschläge an belebten öffentlichen Orten sind der Albtraum schlechthin.
In welchem politischen und gesellschaftlichen Klima haben die Terroristen zugeschlagen? PLASSNIK: Die Franzosen sind geeint im Angesicht des Terrors, das haben wir am 11. Jänner erlebt und erleben es im Alltag weiterhin. Präsident Hollande spricht vom Krieg der Jihadisten-Armee gegen Frankreich. Tatsächlich wurden Kriegswaffen verwendet. Es ist eine Extremsituation.
Haben Sie nach dem Attentat auf „Charlie Hebdo“weitere Anschläge dieses Ausmaßes befürchtet? PLASSNIK: Auf derartige Ungeheuerlichkeiten kann man nicht wirklich vorbereitet sein.
Warum schon wieder Frankreich, warum wieder Paris? PLASSNIK: Es könnte auch ein anderes Land sein, eine andere Stadt. Terrorismus ist menschenverachtend, blind, es geht nur um Zerstörung. Wie immer die Mörder das verbrämen: New York, London, Madrid, viele Städte in Nahost und unschuldige Menschen sind Opfer dieser Fanatiker der Zerstörung geworden.
Was haben die Anschläge mit Frankreichs militärischem Engagement in Syrien zu tun? PLASSNIK: Frankreich ist nicht das einzige Land, das den Kampf gegen die IS-Terroristen auch mit militärischen Mitteln führt. Es gibt keinen Vorwand und keine Ausrede für diese Gewalttaten, schon gar keine wie immer gearteten „Rechtfertigungen“. Diese „Suche“ist zwecklos.
Wie reagiert die Politik darauf? PLASSNIK: Mit Entschlossenheit und Geschlossenheit. Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes, mit scharfen, gezielten Grenzkontrollen, mit nachrichtendienstlichen Vernetzungen, mit allen Mitteln des Rechtsstaats.
Was fühlen die Franzosen? PLASSNIK: Noch sind sie in der Schockphase, 129 Menschen haben bisher bei dieser Anschlagsserie ihr Leben verloren, sind in brutalster Weise herausgerissen worden. Sie alle haben Familien, Freunde, Menschen, die es nicht fassen können. Es wird schwer.
Werden die Anschläge den radikalen politischen Kräften in Frankreich Auftrieb verleihen? PLASSNIK: Eher das Gegenteil. Die Menschen rücken angesichts des Horrors in der Mitte zusammen, das gibt Halt. Wer kann sich auf die Seite des blutigen Terrors stellen und dabei noch den Anspruch erheben, auf dem Boden unserer Lebensweise zu bleiben?
Die Furcht vor einer Islamisierung geht in Frankreich schon seit längerer Zeit um. Erweist sich die-