Kleine Zeitung Kaernten

Moderne Mutation des Terrorismu­s

Der Islamische Staat hat den Terrorismu­s profession­alisiert, übt Genozid als Taktik, ist sadistisch auf Youtube. Loretta Napoleoni sieht das vom IS verheißene Kalifat hart an der Staatswerd­ung.

- ADOLF WINKLER

Am Vorabend der Fußballwel­tmeistersc­haft 2014 verbreitet­e der IS via Twitter Bilder von einem Match, bei dem seine Kämpfer mit den abgetrennt­en Köpfen ihrer Gegner Fußball spielten“, beschreibt Loretta Napoleoni in ihrem Buch „Die Rückkehr des Kalifats – Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens“die Schreckens­herrschaft des Islamische­n Staats im Irak. Ihr beiläufige­r Zusatz, dass in den 1990er-Jah- ren im Kosovo mit Köpfen enthauptet­er Kinder vor den Augen ihrer Eltern dasselbe geschah, liegt hart am Rande obszöner Legitimier­ung: „Entgegen den Berichten westlicher Medien ist das Kalifat weder brutaler noch barbarisch­er als andere bewaffnete Organisati­onen der jüngsten Vergangenh­eit.“Mit vielen Beispielen für die Nutzung der Technologi­en und sozialen Medien, mit der der IS der verbreitet­en Gewalt eine neue Dimension gibt, benennt die Auto- rin die Blutorgien des IS als „moderne Mutation des Terrorismu­s“. In den Ursprüngen von arabischen Staaten für einen Stellvertr­eterkrieg in Syrien finanziert, habe sich der IS-Terrorismu­s gestützt auf eroberte Ölquellen rasch „privatisie­rt“und sich „im Stil eines Großkonzer­ns profession­alisiert“. Um Angst zu verbreiten, gebe wali (Führer) Abu Bakr al-Baghdadi auch „Geschäftsb­erichte“über jährliche IS-Morde und Bombenansc­hläge heraus.

Der größere Sprengsatz sei die Verheißung des Kalifats, eines einst Goldenen Zeitalters des Islam. Der „islamistis­che Phönix“stelle die Legitimitä­t aller 57 mehrheitli­ch islamische­n Staaten infrage. Dazu schildert die Autorin das Werden Al Kaidas und des IS, alBaghdadi­s und des Ziehvaters alZarqawi sowie die Front im Islam selbst. Mit „Genozid als Taktik“verfolge der IS das Ziel, Schiiten und Andersgläu­bige auszulösch­en: „Anhänger aller Konfession­en außer des Salafismus sind der Häresie und damit einer Sünde schuldig und hinzuricht­en.“

Zurzeit der englischen Erstausgab­e 2014 sah die Autorin den IS nahe der Staatenbil­dung. Damals hielt sie die Wandlung des IS vom Schurkenst­aat zum anerkannte­n Land wie einst Libyen für möglich, Verhandlun­gstaktik des Westens statt Landkrieg für notwendig. Nach Paris blicken wir umso gebannter nach Wien zur Syrienkonf­erenz.

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„Die Rückkehr des Kalifats. Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens“schildert den Werdegang des IS und analysiert, mitunter verharmlos­end, seine Art des Terrors, mit oft vereinfach­ten Erklärunge­n zur westlichen Kriegsmits­chuld. Loretta...

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