Wenn ein Literat Geschichte schreibt
Wunderbar erzählt und brandaktuell: Drago Janˇcar stellt neuen Roman in Klagenfurt vor.
In einer Nacht, kurz vor Neujahr 1944, holen TitoPartisanen Veronika Zarnik und ihren Mann Leo aus ihrem Schloss in Slowenien ab. Von dem Zeitpunkt an verlieren sich ihre Spuren. In seinem nun in deutscher Übersetzung erschienenen Roman „Die Nacht, als ich sie sah“(„To nocˇ sem je videl“, 2010) setzt Drago Jancˇar aus den Erinnerungen von fünf Personen das Bild einer schillernden jungen Frau zusammen. „Nüchternes wie grenzenloses, humanes Staunen über eine Welt und eine Zeit aus den Fugen und mittendrin eine tolle Frau“, begründete die Darmstätter Jury die Wahl von Jancˇars Roman zum Buch des Monats Oktober.
Der slowenische Schriftsteller, 1974 im kommunistischen Jugoslawien wegen „feindlicher Propaganda“inhaftiert, setzte sich nicht zum ersten Mal mit einem zeitgeschichtlichen Stoff auseinander (u. a. auch in den Dramen „Hallstatt“und „Grand Valse Brillant“).
KLAGENFURT.
Hinter den Zarniks verbergen sich Ksenjia und Rado Hribar, die 1944 von Partisanen verschleppt worden sind. Ksenija hatte ihren Mann, einen Laibacher Industriellen und Kunstsammler wegen eines serbischen Offiziers verlassen, war 1939 aber auf das Schloss Strmol (nahe Kranj, heute ein Hotel) zurückgekehrt. In den ersten Kriegsjahren war das Schloss Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Dass hier die Deutschen ein und aus gingen, sollte sich als schicksalhaft erweisen, wiewohl die Hribars die Partisanen finanziell unterstützt haben.
Erst heuer im März haben Archäologen im Wald über dem Dorf Macˇe ihre sterblichen Überreste entdeckt, seit Ende Oktober erinnert eine Gedenkplatte beim Schloss Strmol an die Ermordeten. Hochaktueller Lesestoff also, packend und differenziert erzählt. Drago Jancˇar: 17. November, 19.30 Uhr, Musil-Institut Klagenfurt. Zweisprachige Lesung und moderiertes Gespräch.