Frankreich sind wir alle
Die Anschläge in Paris waren ein Terrorakt der Islamisten gegen die gesamte zivilisierte Welt. Vereint wollen die Staaten jetzt gegen diese Terroristen vorgehen.
Am Tag nach dem Inferno stand Frankreich unter Schock und die Welt rang nach Worten. Das Entsetzen über die rohe Gewalt, mit der die Terroristen eine offene Wunde ins Herzen der französischen Hauptstadt gerissen hatten, stand Präsident François Hollande ins Gesicht geschrieben, als er von einem „Akt absoluter Barbarei“sprach und der Terrormiliz IS, die sich zu der Tat bekannt hatte, einen „Kampf ohne Gnade“schwor. Man ließ ihn nicht allein in seinem Entsetzen. Aus aller erreichten Frankreich Anteilnahme und Solidarität. „Dieser Angriff auf die Freiheit gilt nicht nur Paris. Er meint uns alle“, erklärte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. US-Präsident Barack Obama bot Hilfe an, um die „Geißel des Terrorismus“zu besiegen. Außenminister Kerry betonte die Notwendigkeit, den Konflikt in Syrien zu lösen. Und der iranische Präsident Hassan Rohani erklärte, die Ereignisse in Paris hätten nur eine Botschaft: Alle Staaten müssten gemeinsam die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) bekämpfen.
Das aber ist leichter gesagt als getan. Seit mehr als einem Jahr bombardieren die USA den IS in Syrien und im Irak, die Erfolge blieben begrenzt. Die Hauptlast der alliierten Luftangriffe trägt Washington weitgehend alleine. Zwar sind Frankreich und im Irak auch die Briten mit an Bord, doch die regionalen Verbündeten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate haben sich seit dem Frühjahr stillschweigend verabschiedet. Die Türkei greift vor allem Stellungen der kurdischen PKK an. Und die russischen Kampfjets haben die Terrormiliz bisher auffällig geschont.
Der Terror von Paris könnte in den Kampf gegen den IS jetzt neue Dynamik bringen. FrankWelt
reichs Außenminister Laurent Fabius fordert ein breites Vorgehen gegen die Terrormiliz. Vor allem in London wurden Rufe laut, die britischen Luftanschläge gegen den IS im Irak müssten endlich auch auf Syrien ausgedehnt werden. Der frühere Verteidigungsminister Gerald Howarth sprach von einem Weckruf. „Wir sind im Krieg“, sagte Howarth, „und wir müssen reagieren.“
Nato-Bündnisfall?
In Brüssel wurde spekuliert, Hollande könnte den Nato-Bündnisfall ausrufen und die Jihadisten nicht nur als Terrororganisation betrachten, sondern als äußere Macht, die einen bewaffneten Angriff gegen einen Nato-Mitgliedsstaat und gegen Europa unternommen hat. Auch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte der Nato-Rat in Brüssel den Bündnisfall beschlossen. Die Nato-Partner unterstützten in der Folge die Vereinigten Staaten mit Aufklärungsflugzeugen bei der Überwachung des Luftraums über den USA und beim Krieg gegen den Terror unter anderem in Afghanistan. Schon die damaligen Aktionen waren schwierig und umstritten. Um ein Vielfaches komplexer ist die Situation nun mit dem IS in Syrien und im Irak. Das zeigte sich auch gestern bei der zweiten großen Syrien-Konferenz in Wien. Noch nie zuvor war der Druck auf die zwanzig Nationenvertreter höher, nun endlich eine politische Lösung für den syrischen Bürgerkrieg zu finden und gleichzeitig ihr militärisches Vorgehen gegen die IS-Terrormiliz besser zu koordinieren. Tatsächlich einigte man sich auf einen Fahrplan, der vorsieht, möglichst rasch einen Waffenstillstand zwischen dem Assad-Regime und moderaten Rebellengruppen auszuhandeln und einen Prozess zu starten, der in Neuwahlen münden soll. Der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und die radikale Al-Nusra-Front dagegen soll „ohne Einschränkungen“weitergehen – eine noch sehr vage Festlegung, die die heikle Frage, ob der IS ohne den massiven Einsatz von Bodentruppen überhaupt besiegt werden kann, ausklammert.
Der Streit um die Zukunft des syrischen Diktators Baschar alAssad blieb in Wien weiter ungelöst – er selbst versuchte gestern ungeniert, aus der Pariser Tragödie für sein Regime Kapital zu schlagen. Die französische Politik habe dazu beigetragen, den Terrorismus zu verbreiten, dozierte Assad. Er selbst habe ja immer schon davor gewarnt.