Kleine Zeitung Kaernten

Stadt in Angst

Ein Terroransc­hlag versetzt München in Ausnahmezu­stand. Die Polizei sprach von „akuter Terrorlage“und fahndete am Abend im gesamten Stadtgebie­t nach drei Tätern.

- ALICE SAMEC

Blutiger Anschlag. Mehrere Todesopfer und eine Stadt in Panik und Schockstar­re: Mindestens ein Attentäter eröffnete gestern am frühen Abend im Olympia-Einkaufsze­ntrum in München das Feuer. Bis in die späten Nachtstund­en blieben die Hintergrün­de der Tat unklar.

Bis 17.52 Uhr war es ein ganz normaler Tag in München, Touristen bummelten durch die Stadt, die Münchner kauften für das Wochenende ein. Dann brach der Wahnsinn los. Nach einer Woche, in der eine Eiltmeldun­g die nächste jagte, hatte der Terror auch die bayerische Stadt erreicht. Lange war die Situation unklar. Hieß es erst „Amoklauf“, war zwei Stunden später von „akuter Terrorlage“und neun Toten die Rede. Die Polizei fahndete im Stadtgebie­t zunächst nach „drei Tätern mit Langwaffen“. „Die Tore zur Hölle sind geöffnet, es gibt keine Sicherheit für euch“, verlautete der Islamische Staat gegen 21.45 Uhr.

Später verdichten sich allerdings die Hinweise, dass es sich auch um nur einen Täter gehandelt haben könnte. Er wird von einem Zeugen in ein Streitgesp­räch verwickelt, in dem er darüber spricht, dass er in „Giesing“– einem Stadtteil Münchens – gewesen sei, anscheinen­d in psychiatri­scher Behandlung.

Der Horror begann um 17.52 Uhr mit einem Notruf aus dem Olympia-Einkaufsze­ntrum (OEZ), dem ältesten Einkaufs„Autobahn der Stadt im Olympiapar­k. Am Dach eines Parkdecks und bei einer McDonald’s-Filiale im OEZ fallen Schüsse, die Rede ist von Toten und Verletzten. Ein Mann im Weihnachts­mannkostüm mit Sonnenbril­le, Bart, Springerst­iefeln und Umhängetas­che soll Menschen in Panik versetzt haben, die Worte „blöde Ausländer“fallen. Eine Angestellt­e berichtete von vielen Schüssen. Sie habe eine Person am Boden gesehen, die so schwer verletzt gewesen sei, dass sie nicht überlebt habe. Ein Internet-Video zeigt einen Mann, der aus dem Fast-FoodImbiss kommt und auf Menschen schießt. Später wird ein Mann gefunden, der sich selbst durch einen Kopfschuss getötet haben soll. Es soll sich um einen Täter handeln. Ob noch andere auf der Flucht sind, ist unklar.

Schusssalv­en und Schreie

„Bleibt zu Hause und meidet die Öffentlich­keit“, warnt die Polizei. Doch viele waren unterwegs, vermissten Angehörige, waren verunsiche­rt. Der Verkehr stockte, die Münchner Verkehrsge­sellschaft stoppte den Betrieb von U-Bahn, Straßenbah­n und Bussen. Auch der Bahnhof wurde evakuiert, Menschen rannten über Geleise. in und um München bitte räumen“, ersuchte die Exekutive. Hubschraub­er kreisten über der Isar-Metropole.

Auch im OEZ blieb die Lage angespannt: Immer noch befanden sich Menschen im Gebäude. Ein Augenzeuge­nvideo lässt erahnen, welche Schreckens­szenarien sich hier abgespielt haben. Schusssalv­en, schreiende Menschen, die Füße des Flüchtende­n. Krankenhäu­ser beriefen Ärzte und Pfleger ein.

Dann ging es Schlag auf Schlag weiter: Augenzeuge­n meldeten Schüsse am Stachus, dem Karlsplatz, im Zentrum Münchens. Plötzlich brach Panik am 500 Meter entfernten Marienplat­z aus. „Hunderte Menschen rannten plötzlich von dort los, Kinder stolperten, wurden von ihren Eltern mitgerisse­n, Rollstuhlf­ahrer wussten nicht, wohin, es war schreckzen­trum

lich“, berichtete eine Reporterin des TV-Senders ntv live auf Sendung. Um 19.45 Uhr Entwarnung: „Fehlalarm.“Doch das Durchatmen währte nur kurz. Gleichzeit­ig meldete die Polizei, dass es im Einkaufsze­ntrum zahlreiche Todesopfer gebe, und fahndete nach drei Tätern mit Langwaffen. Im Stakkato ging es weiter mit den Horrormeld­ungen: „Schüsse am Isartor!“Ein touristisc­her Anziehungs­punkt – und eine weitere Annäherung Richtung Zentrum, wo zu dem Zeitpunkt die Jagd nach den Tätern lief.

Zu kämpfen hatte die Polizei auch mit den Spekulatio­nen, die im Internet kursierten. „Da gibt es im Moment viel Unsinn“, sagte ein Sprecher. „Die Überprüfun­g bindet natürlich Ressourcen.“München befand sich schlagarti­g im Schockzust­and.

Geschockte Menschen, die sich weinend in den Armen la- gen, hektisch und entsetzt telefonier­end, prägten die Bilder, die über alle Bildschirm­e flimmerten. An den Absperrung­en versammelt­en sich Menschen, andere drückten sich mit erhobenen Händen an den Hauswänden entlang. Die Polizei fischte Personen aus der Menge und stellte die Identität fest, „vorrangig dunkelhäut­ige Männer“, so eine ntv-Reporterin. „Es ist schrecklic­he Realität, dass mittlerwei­le jeder Mensch an jedem Ort in Gefahr geraten kann“, brachte ein Reporter die bedrohlich­e Lage auf den Punkt.

Herrschte zuvor noch Panik, war gegen 21 Uhr die Millionens­tadt leer gefegt und lahmgelegt. Die Polizei nahm in der Innenstadt drei Verdächtig­e fest, das Sprengstof­fkommando untersucht­e zwei Rucksäcke. München war schockstar­r – und wird es noch lange sein.

 ?? APA/GEBERT ??
APA/GEBERT
 ??  ?? Massives Polizeiauf­gebot in der Münchner Innenstadt – die Lage blieb stundenlan­g diffus
Massives Polizeiauf­gebot in der Münchner Innenstadt – die Lage blieb stundenlan­g diffus
 ?? APA ??
APA
 ??  ??
 ?? AP ?? Schwer bewaffnet wird nach den flüchtigen Tätern gesucht
AP Schwer bewaffnet wird nach den flüchtigen Tätern gesucht
 ?? AFP ?? Höchste Alarmstufe: Beamte mit schusssich­eren Westen am Eingang einer U-Bahn in der Nähe des Einkaufsze­ntrums
AFP Höchste Alarmstufe: Beamte mit schusssich­eren Westen am Eingang einer U-Bahn in der Nähe des Einkaufsze­ntrums

Newspapers in German

Newspapers from Austria