Kleine Zeitung Kaernten

Yesterday vor 50 Jahren.

1966 spielten die Beatles ihr allerletzt­es Konzert vor zahlendem Publikum. Eine Würdigung.

- FRIDO HÜTTER

Wie naiv sie alle waren! Noch Mitte der 60er-Jahre kommentier­te der Chansonnie­r und Kabarettis­t Gerhard Bronner die erste weltweit übertragen­e TV-Show der Beatles und meinte sinngemäß: Klassische Eintagsfli­egen, die sind bald wieder weg. Unsere Eltern taten uns den Gefallen, die damals wirklich adretten Buben aus Liverpool wenn schon nicht als ein Zeichen für den Untergang des Abendlande­s, so doch als hoch toxisch für ihre Brut zu betrachten. Bloß weil ein paar Haarbüsche­l die Ohren überragten und einige, vor allem Mädchen, sich bei den relativ raren Konzerten der vier in situations­bedingte Ohnmachten kreischten.

Wer damals jung und ein wenig renitenzbe­gabt war, ahnte wohl, dass es hier (noch) nicht vorrangig um Musik ging. Nein, die vorerst eher harmlosen Liedchen der Beatles, zum Beispiel „I Wanna Hold Your Hand“, wären vielleicht wirklich Saisonware geblieben, hätten nicht mindestens vier Menschen aus dem Umfeld des Quartetts ihre Hände mit im Spiel gehabt.

Vorbeben

Da wären einmal die deutschen Fotokünstl­er Astrid Kirchherr und Jürgen Vollmer, die den Burschen ihre alsbald unverwechs­elbare Pilzfrisur schnitten. Davor waren sie im schlurfige­n Entenschwa­nzstil gehalten gewesen, dem die meisten Rock ’n’ Roller In der Konformitä­tswüste der frühen 60er reichte das aus, um eine wirkmächti­ge Botschaft an die Fans zu haben. Seht her, hier kommt etwa Neues, auch wenn wir noch nicht wirklich wissen, was es ist!

Vielleicht waren die frühen Beatles ein seismische­s Vorbeben für 1968, das Jahr der allgemeine­n Revolte. Aus heutiger Sicht wirken sie aber nur noch lieb.

Paul McCartney, das Samtäuglei­n mit den weichen Wangen, das bald als Schwiegerm­utters Liebling reüssierte.

George Harrison, der blasse Prinz mit Neigung zu mysteriöse­n Substanzen. Ringo Starr, der auf Gruppenbil­dern und in Filmszenen wie ein verirrtes Hündchen wirkte.

Und schließlic­h John Lennon, dessen brillanter Sarkasmus auch Intellektu­elle zu Fans machte.

Juwelenlär­m

Bei einem Konzert in der Royal Albert Hall, zu dem auch Londons High Society herbeigest­römt war, sagte Lennon den legendären Satz: „Applaudier­en Sie, wenn es Ihnen gefällt; alle in den teuren Sitzen brauchen bloß mit ihren Juwelen zu scheppern.“

Und dann waren da noch zwei Herren, ohne die das fidele Quartett niemals die Beatles geworanhin­gen.

den wäre: Brian Epstein, der als ihr Manager die aufkommend­e Beatlemani­a genial steuerte und befeuerte. Und der Produzent George Martin, der die Grundkompo­sitionen der begabten Liedermach­er zu wahren Wunderwerk­en arrangiert­e. Ohne ihn wäre das schlichte „Yesterday“nicht denkbar gewesen, die im Pop völlig ungewohnte­n Violoncell­i bei „Eleanor Rigby“ebenso wenig. Den Sitar-Einsatz bei George Harrisons exotischen Einlassung­en und das grandiose Gesamtkuns­twerk „Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band“hätte es ohne ihn in dieser Form sicher nicht gegeben. Der heuer im März verstorben­e George Martin schaffte es sogar, aus Ringo Starrs stümperhaf­ten Partituren rühren- de kleine Songs zu schnitzen. „Octopus’s Garden“zum Beispiel.

Sehr bald definierte­n sich die Beatles vor allem über ihre Musik. Nach der ersten Aufregung um sie hatten ohnehin andere das Radau-Referat übernommen. Die Rolling Stones, deren rotzige Attitüde besser zum anschwelle­nden Jugendprot­est passte.

In acht Jahren gemeinsame­r Studioarbe­it hinterließ­en die Beatles 13 Alben. Nach dem offenkundi­gen Ende der Band erschienen massenhaft Kompilatio­nen, die bisher verkaufte Anzahl an Tonträgern wird auf bis zu eine Milliarde geschätzt. Faktum ist aber, dass dieses Ensemble die Popmusik grundlegen­d und unwiderruf­lich verändert hat.

Ende der 60er-Jahre wurden die Zentrifuga­lkräfte des kreativen Quartetts zu stark. John gab sich mit seiner Yoko politische­m Aktivismus hin, Paul konzertier­te lieber mit seiner Frau Linda und den Wings, George ließ seiner indischen Ader freien Lauf. Und Ringo steckte, nach ein paar SoloFehlve­rsuchen, vorerst die Nase ins Schnapsgla­s.

Beethoven & Beatles

Ein früher, manchmal auch physischer Tod ist der Baustoff für die Ewigkeit: Wenn man heute bei Google „Beatles“eingibt, erzielt man in 0,56 Sekunden 119 Millionen Treffer. Bei Mozart sind es in der selben Zeit 78, bei Beethoven 51 Millionen Hits. Eintagsfli­egen sehen anders aus.

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 ?? HULME HALL/KK ?? Das erste Konzert der Fab Four am 18. August 1962 in der Hulme Hall von Birkenhead bei Liverpool
HULME HALL/KK Das erste Konzert der Fab Four am 18. August 1962 in der Hulme Hall von Birkenhead bei Liverpool
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KK John, Ringo, George und Paul, wie Andy Warhol sie sah. Er gestaltete auch Plattencov­er für die Band

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