LEITARTIKEL
Steuerschlupflöcher: Moralische Appelle sind zu wenig.
Manfred Neuper meint, moralische Appelle gegen Steuerflucht reichen nicht aus
Die gute Nachricht: Apple wird trotz der nun drohenden milliardenschweren Steuernachzahlung in Irland nicht in die Pleite schlittern. Die noch bessere Nachricht: Mit der nun erfolgten Entscheidung der EU-Kommission beweist die so gerne als träge Bürokratenhochburg verunglimpfte Brüsseler Behörde ihre Entschlossenheit im Kampf gegen Steuerschlupflöcher. Viele, viele Jahre lang profitierte Apple von Mikrosteuersätzen in Irland. Ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil, den Irland Apple durch seine Steuerpolitik verschafft hat, befand die Kommission. Zulasten anderer Unternehmen. Daher wurde das Land aufgefordert, Apple eine saftige Nachzahlung in Rechnung zu stellen.
Trotz zuletzt unverhohlener Drohungen der US-Regierung ließ sich die EU-Kommission in dieser Frage nicht beirren. Ein wichtiges Signal. Wenn es um den seit Jahren in Aussicht gestellten internationalen Schulterschluss gegen die globalen Strategien zur Steuervermeidung von Multis geht, helfen weder schöne Worte noch moralische Appelle, sondern nur drastische Maßnahmen. Jetzt steht einmal Aussage gegen Aussage. Sowohl Irland als auch Apple beteuern, dass man stets korrekt gehandelt habe. Ein jahrelanger Rechtsstreit ist wahrscheinlich. Unverschämt: ja. Unsozial: ja. Ungerecht: ja. Aber bisher anscheinend nicht illegal. Es ist so etwas wie ein institutionalisierter Graubereich, in dem es sich für multinationale Konzerne ganz gut leben lässt. Bisher. Das Problem würde sich mit einer Maßnahme entschärfen lassen, die zwar diskutiert wurde, aber in ihrer Umsetzung akut bedroht ist. Jedes multinational tätige Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz, so lautete unlängst ein Plan, soll in jedem Land, in dem es tätig ist, seine Steuerbelastungen offenlegen.
Dass global künftig einheitliche Steuersätze und -systeme gelten, ist illusorisch. Gemeinsame Transparenz-Spielregeln sind aber sehr wohl möglich.
Führt man etwa die Abertausenden Klein- und Mittelbetriebe, die Arbeitgeber von nebenan, ins Treffen, die oft wegen kleinster Steuervergehen ruppig an die Kandare genommen werden und ihre Profite nicht „verlagern“können, wird man gerne ins Eck der Äpfel-und-Birnen-Vermischer verräumt. Mag sein, aber ein Wirtschaftsstandort lebt von Groß und Klein – und das Gefühl, dass sich einige multinationale Unternehmen durch wahnwitzige Verschachtelungen ihrer Gesellschaften steuerschonend „arm“rechnen können, ist fatal. Und muss ein Ende haben. Die aktuelle Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.