Von Sorgenfalten, die zu Gräben geworden sind
Barometer der Beunruhigung muss Politik alarmieren.
Im Stadium erweiterter Unruhe: 66 Prozent der hierzulande Befragten sorgen sich um den spätestens seit Sommer 2015 brandheißen Themenherd der Zuwanderung. Die internationale Studie „Challenges of Nations 2016“belegt mit Zahlen, was den Menschen am schwersten auf die Seele drückt (Mehrfachnennungen waren möglich) – und in Österreich fiel die Antwort eindeutig aus.
Waren es im Vorjahr noch um 40 Prozent weniger, kreisen nun bereits die Gedanken von zwei Dritteln vor allem darum, was kommt, wenn noch mehr kommen. Überholt werden sie in ihren Sorgen nur von Deutschland, wo 83 Prozent der Befragten die Migrationsfrage als am dringlichsten einschätzen und empfinden. Dahinter rangieren auf dem österreichischen Beunruhigungsbarometer die Arbeitslosigkeit, die leidlich erfolgreich im Reparaturdock liegenden Bereiche Pensionen und Bildung sowie nicht zuletzt die Gesundheitsversorgung. Dem Sozialsystem, das dieses Land bis jetzt verlässlich bettete, wird immer mehr umgehängt. Für viele ist die Frage nicht mehr, ob, sondern wann es sich einmal nicht mehr ausgehen wird. Mangelnde Zuversicht wird sichtbar.
Der Arbeitsauftrag an die Politik war noch nie dringlicher: Das Vakuum von Verunsicherung und Ungewissheit wird zwangsläufig und verlässlich dort mit Sorgen und Ängsten aufgefüllt werden, wo Volksvertreter mit Lösungen in Verzug sind. Sorgen sind Chance und Keimzelle gleichermaßen.
Angst im gesunden Ausmaß wird von der Psychologie als nützliche Emotion und sinnvolle Entwicklung der Evolution gewertet. Angst bedeutet aber auch das diffuse Gefühl, nicht mehr durchatmen zu können, wie man dies einmal vermochte. Wenn Bürger den Glauben an Gestaltungsgewalt verlieren und sich in komplexen Zeiten im Stich gelassen fühlen, wird es wirklich gefährlich. Eine Gesellschaft, die in Sorgenfalten versinkt, wird porös und verliert ihr Stützfundament.
Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass heute durch die permanente Verfügbarkeit von Neuigkeiten – ob fundiert recherchiert und aufbereitet oder aus dem allgegenwärtigen Surrogatbecken der sozialen Medien – viele Themen zusätzlich noch unter dem Vergrößerungsglas liegen: Wer sich heute sorgen „will“, der erhält reichlich Gelegenheit dazu. ie Fragestellung der Studie lautet: „Was sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Aufgaben, die heute in Österreich zu lösen sind?“Gerade auch Parteien wären gut beraten, sich diesen Satz prominent in ihre Zentralen zu hängen und ihn von Machtdünkel frei zu halten.
DSie erreichen den Autor unter