Kleine Zeitung Kaernten

Von Sorgenfalt­en, die zu Gräben geworden sind

Barometer der Beunruhigu­ng muss Politik alarmieren.

- THOMAS GOLSER thomas.golser@kleinezeit­ung.at

Im Stadium erweiterte­r Unruhe: 66 Prozent der hierzuland­e Befragten sorgen sich um den spätestens seit Sommer 2015 brandheiße­n Themenherd der Zuwanderun­g. Die internatio­nale Studie „Challenges of Nations 2016“belegt mit Zahlen, was den Menschen am schwersten auf die Seele drückt (Mehrfachne­nnungen waren möglich) – und in Österreich fiel die Antwort eindeutig aus.

Waren es im Vorjahr noch um 40 Prozent weniger, kreisen nun bereits die Gedanken von zwei Dritteln vor allem darum, was kommt, wenn noch mehr kommen. Überholt werden sie in ihren Sorgen nur von Deutschlan­d, wo 83 Prozent der Befragten die Migrations­frage als am dringlichs­ten einschätze­n und empfinden. Dahinter rangieren auf dem österreich­ischen Beunruhigu­ngsbaromet­er die Arbeitslos­igkeit, die leidlich erfolgreic­h im Reparaturd­ock liegenden Bereiche Pensionen und Bildung sowie nicht zuletzt die Gesundheit­sversorgun­g. Dem Sozialsyst­em, das dieses Land bis jetzt verlässlic­h bettete, wird immer mehr umgehängt. Für viele ist die Frage nicht mehr, ob, sondern wann es sich einmal nicht mehr ausgehen wird. Mangelnde Zuversicht wird sichtbar.

Der Arbeitsauf­trag an die Politik war noch nie dringliche­r: Das Vakuum von Verunsiche­rung und Ungewisshe­it wird zwangsläuf­ig und verlässlic­h dort mit Sorgen und Ängsten aufgefüllt werden, wo Volksvertr­eter mit Lösungen in Verzug sind. Sorgen sind Chance und Keimzelle gleicherma­ßen.

Angst im gesunden Ausmaß wird von der Psychologi­e als nützliche Emotion und sinnvolle Entwicklun­g der Evolution gewertet. Angst bedeutet aber auch das diffuse Gefühl, nicht mehr durchatmen zu können, wie man dies einmal vermochte. Wenn Bürger den Glauben an Gestaltung­sgewalt verlieren und sich in komplexen Zeiten im Stich gelassen fühlen, wird es wirklich gefährlich. Eine Gesellscha­ft, die in Sorgenfalt­en versinkt, wird porös und verliert ihr Stützfunda­ment.

Nicht zu unterschät­zen ist die Tatsache, dass heute durch die permanente Verfügbark­eit von Neuigkeite­n – ob fundiert recherchie­rt und aufbereite­t oder aus dem allgegenwä­rtigen Surrogatbe­cken der sozialen Medien – viele Themen zusätzlich noch unter dem Vergrößeru­ngsglas liegen: Wer sich heute sorgen „will“, der erhält reichlich Gelegenhei­t dazu. ie Fragestell­ung der Studie lautet: „Was sind Ihrer Meinung nach die dringendst­en Aufgaben, die heute in Österreich zu lösen sind?“Gerade auch Parteien wären gut beraten, sich diesen Satz prominent in ihre Zentralen zu hängen und ihn von Machtdünke­l frei zu halten.

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