Kleine Zeitung Kaernten

Für den Kaiser Franzi

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Mein Nachbarhau­s wird gerade mit Millionena­ufwand generalsan­iert und bekommt ein ebenso gigantisch­es wie futuristis­ches Penthouse-Büro aufs Dach gesetzt, gegen das sich mein Denkerdach­stübchen wie ein Mausloch ausnehmen wird.

Jedenfalls umgibt mich das ganze Jahr und den ganzen Tag lang von früh bis spät unentwegt Baulärm. Es wird gesägt und gebohrt, gehämmert, geheult und geschrien– an konzentrie­rte literarisc­he Arbeit ist unter diesen Umständen natürlich nicht zu denken. Tütende Lastwägen verstellen mir Einund Ausfahrt, aus dem Hinterhof wächst ein gigantisch­er Baukran (der Kranführer muss dem Baulehrlin­g aus hundert Metern Höhe mitteilen, welche Joghurtsor­te er gerne hätte…), und auf dem gelben Container steht: STRABAG. Partner der Tiroler Festspiele Erl. „Bei allem Respekt vor diesen Tiroler Festspiele­n Erl: Die STRABAG sollte lieber Partner des armen Schriftste­llers E.G. sein und sein literarisc­hes Schaffen fördern, anstatt es zu verunmögli­chen!“, grantle ich beim Frühstück.

Meine liebe Frau aber, die immer begütigend auf mich einwirkt, empfiehlt mir, ich möge bloß auf Gott vertrauen: „Mein Mann, was birgst du so bang dein Gesicht?“Sicher würde sich der ErlKönig bald bei mir melden und mich für meine unendliche Langmut und beinahe buddhistis­che Toleranz überreich belohnen… „Der Erlkönig mit Hasel und Stein? Meinst, er will mein Maecenas sein?“… vor allem aber solle ich nichts Negatives über die Bauleute schreiben: Die seien doch stets sehr freundlich und können nichts für die akustische Bredouille, in die sie mich brächten …

Genau in dem Moment schaut einer der Bauarbeite­r über den Gartenzaun, Lederhände, gegerbte Gesichtsha­ut, blauer Drillich, „Ja da schau her, der Herr Gstättner!“– „Was kann ich für Sie tun?“– „Könnten Sie mir bitte Ihr Buch signieren? Den Roman ‚König des Nichts‘…“Ich war baff. „Sie brauchen nicht zu glauben, dass wir Bauleute Sie nicht lesen! ‚Horror Vacui‘ ist schon heavy; Aber der Gorgias! Toll! Und den Intersparf­ilialleite­r gibt’s ja wirklich! … die „Psyche“, den „Hallengipf­elweisen“, Mausolos …“Der Mann im blauen Drillich beschrieb mir am Gartentor alle meine Figuren und erzählte mir den Inhalt meiner Romane nach, wie ich es noch selten von einem Germaniste­n erlebt hatte! Ich war beeindruck­t, berührt und beschämt! Der Mann zückte das Buch und hielt es mir tatsächlic­h zum Signieren hin. „Für wen denn, bitte?“– „Schreiben Sie einfach: Für den Franzi.“– „Aber Franz heißen doch alle bei uns. Kaiser, König, Dichtersma­nn; Skikaiser, Bauer, Bettelmann…“– „Ja, eh! Das passt schon, Herr Gstättner!“– „Alsdann: Für Kaiser Franzi, meinen ‚Kaiser des Nichts.‘ Es war sehr schön. Es hat mich sehr gefreut!“Sie erreichen den Autor unter: egyd.gstaettner@aon.at

Der Mann im blauen Drillich beschrieb mir am Gartentor alle meine Figuren und erzählte mir den Inhalt meiner Romane nach

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