Kleine Zeitung Kaernten

Flüchtling­e als Mittel zum Zweck

Jetzt stellt sich heraus, die „Willkommen­skultur“war nur eine PR-Aktion.

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Der Präsident der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA), Ingo Kramer, hat ein Interview gegeben, in dem er über ein Nachlassen der „Willkommen­skultur“klagte, für die wir „im Ausland gefeiert wurden“. Es könnte der „Eindruck“entstehen, „dass der Fremdenhas­s stärker ist als die Willkommen­skultur“; das wiederum „könnte unter anderem dazu führen, dass das Image deutscher Produkte leidet und die Investitio­nsbereitsc­haft zurückgeht“. Für die gekippte Stimmung seien Politiker verantwort­lich, „die sich heute gegenüber Flüchtling­en und Fremden in einer Weise äußern, die ihnen vor einiger Zeit peinlich gewesen wäre“. V or einiger Zeit wäre es freilich auch dem BDAPräside­nten peinlich gewesen, ungeniert zuzugeben, dass die „Willkommen­skultur“eine PR-Plattform war, um für deutsche Produkte zu werben und Investoren anzulocken. Die „Flüchtling­e“waren Mittel zum Zweck.

Nun, da sogar die Kanzlerin einräumt, dass es mit der unkontroll­ierten Zuwanderun­g ein Problem gibt, schwächelt auch die Willkommen­skultur, und das könnte sich zum Nachteil der deutschen Wirtschaft auswirken. Möglich wäre es ja, dass ein Farmer in Texas, der einen Pick-up von VW kaufen will, nicht nach den Abgas- und Verbrauchw­erten fragt, sondern danach, wie es um die „Willkommen­skultur“in Deutschlan­d steht. Und dass ein Investor in New York wissen möchte, wie weit die Integratio­n der Flüchtling­e in Ludwigshaf­en gediehen ist.

Nicht immer waren die Vertreter der großen Wirtschaft­sverbände dermaßen auf den guten Ruf deutscher Produkte bedacht. Erst im Jahre 2000 nahmen sie sich des Themas „Zwangsarbe­iter“an, das sie seit Kriegsende ignoriert hatten, und beteiligte­n sich an der vom Bund initiierte­n und mitfinanzi­erten Stiftung „Erinnerung, Verantwort­ung und Zukunft“. E twa 1,6 Millionen ehemalige Zwangsarbe­iter, vor allem in Osteuropa, bekamen einmalige Abschlagsz­ahlungen zwischen 530 und 7600 Euro, je nachdem, wo und wie lange sie schuften mussten. Damals sorgte sich niemand um das „Image deutscher Produkte“im Ausland. Henryk M. Broder ist Kolumnist der „Welt“und der „Weltwoche“.

Es könnte sein, dass ein Investor in New York wissen möchte, wie weit die Integratio­n

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HENRYK M. BRODER BRIEF AUS DEUTSCHLAN­D

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