Kleine Zeitung Kaernten

„Der Film blüht wie nie zuvor“

Horst Dieter Sihler blickt zurück auf ein erfülltes Leben im Dienste des zeitgenöss­ischen Films.

- INTERVIEW: ANDREAS PETERJAN Buchpräsen­tation morgen, Mittwoch, 19.30 Uhr, Musil-Haus Klagenfurt.

Rückschau eines Enthusiast­en: Horst Dieter Sihler hat die heimische Kino- und Filmszene maßgeblich geprägt. Als Kritiker und Filmkurato­r bemühte er sich schon während der 1960er-Jahre unermüdlic­h, das zeitgenöss­ische internatio­nale Kino in der damaligen Filmwüste Österreich bekannt zu machen. Als Initiator rief er die „Filmtage Velden“ins Leben und verschafft­e österreich­ischen Produktion­en so eine öffentlich­keitswirks­ame Plattform.

Ihr Buch ist nicht nur die Geschichte des europäisch­en Kinos, es ist gleichzeit­ig die Geschichte des geteilten Europas und des Kalten Kriegs. Inwiefern spiegeln sich solche Zeitumstän­de im Film besonders deutlich?

HORST DIETER SIHLER: Der Film wurde und wird immer noch als politische­s Werkzeug gebraucht und war insbesonde­re im 20. Jahrhunder­t Teil ideologisc­her Grabenkämp­fe. Etwa wenn man an den visualisie­rten Klassenkam­pf im Film unter Tito denkt. Mich reizt aber mehr die völkerverb­indende Kraft des Mediums: Chaplins Stummfilme überwanden mit ihrer sprachlose­n Komik jede Grenze – auch die der Zeit, denn heute lacht man noch ebenso herzlich über sie wie damals. Ich bin als „Augenmensc­h“überzeugt davon, dass jeder Mensch das Medium Film intuitiv verstehen kann. Darin liegt seit jeher seine größte Kraft.

Besonders beeindruck­t zeigten Sie sich vom slowenisch­en Film der 60er-Jahre. Ausgewählt­e Beispiele wollten Sie in Kärnten vorführen.

SIHLER: Fasziniert hat mich die hohe Bildqualit­ät, jede Einstellun­g war ein komponiert­es Gemälde. Insbesonde­re Slowenien war ein Zentrum der visuellen Künste und hat geniale Produk- hervorgebr­acht – die im Nachbarlan­d Kärnten kein Mensch kannte. Um eine Auswahl für das Kärntner Publikum zu treffen, bin ich 1972 über den Loibl und anschließe­nd 300 Kilometer durch das damalige Jugoslawie­n zum Filmfestiv­al in Pula gefahren – mit dem PuchRoller, wohlgemerk­t! Zur Vorführung in Klagenfurt kam es allerdings nicht mehr, denn der Ortstafels­turm erreichte zeitgleich seinen Höhepunkt. Gewohnt humorlos teilte man mir mit, dass das Volkskino „dafür“nicht zur Verfügung stehe und ich meinen Hut nehmen soll.

Die 1970er-Jahre beschreibe­n Sie als wichtigste­s Filmjahrze­hnt des Jahrhunder­ts. Sowohl für sich persönlich als auch für Österreich. Warum?

SIHLER: Die 70er waren die eigentlich­e Initialzün­dung für den Alternativ­film. Das kommerziel­le Kino war regelrecht am Boden – und in diesem Vakuum wuchs eine Begeisteru­ng für alles, was nicht Mainstream war. Die Berlinale veranstalt­ete das „Internatio­nale Forum des jungen Films“, auf dem inhaltlich­e wie formale Avantgarde gezeigt wurde. Da traf man exilierte Filmschaff­ende, die man in ihren Heimatländ­ern für ihre Produktion­en einfach hingericht­et hätte – während wir Österreich­er uns normalerwe­ise über ästhetisch­e Details stritten. Im Vergleich besehen lächerlich.

Von dieser Phase der Öffnung schien Österreich vorerst unberührt zu bleiben?

SIHLER: Darum habe ich 1977 getionen meinsam mit Gerald Kargl „Die Österreich­ischen Filmtage“in Velden gegründet, um ambitionie­rten Projekten aus Österreich eine Plattform zu bieten. In den nächsten Jahren ging das Festival auf Wanderscha­ft und hat heute als die „Diagonale“in Graz seinen fixen Platz gefunden.

Wie bewerten Sie Österreich aktuell als Kinoland?

SIHLER: Im Vergleich zu früher: phänomenal! Mittlerwei­le sind die Programmki­nos voll von österreich­ischen Eigenprodu­ktionen. Vor zwei Jahrzehnte­n war das völlig undenkbar. Der österreich­ische Film blüht wie nie zuvor – und hat sogar in der Provinz sein Publikum gefunden. Jetzt müsste man nur noch das 1980 begonnene Kino im Lendhafen fertigbaue­n . . .

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PERTL Horst Dieter Sihler: 78-jähriger Kulturkrit­iker, Poet und Filmpionie­r aus Klagenfurt
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„Mein Kino“von H.D. Sihler (Wieser, 29,95 Euro)

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