Kleine Zeitung Kaernten

Günter Eichberger vergleicht den Geist der Selbstjust­iz mit der Tätermenta­lität

- GÜNTER EICHBERGER vergleicht den Geist der Selbstjust­iz mit der Tätermenta­lität Günter Eichberger lebt als freier Schriftste­ller in Graz

Nichts ist schwerer nachzuvoll­ziehen als eine sogenannte Wahnsinnst­at. Und schwerer zu verhindern. Wer nichts zu verlieren hat und mit keiner Faser an seinem Leben hängt, dem bleibt noch die Selbstermä­chtigung im Amoklauf.

Einmal Herr über Leben und Tod – als letzte Brennstufe vor dem Verglühen. (Wie auch immer die vorgeschob­enen Motive liegen mögen, sofern welche auszumache­n sind.) Welche Strafandro­hung sollte den zurückhalt­en, der sein eigenes Todesurtei­l schon gesprochen hat? Auch wenn er im Gegensatz zu seinen Opfern am Leben bleibt: Als Subjekt ist er ausgelösch­t wie seine Erinnerung. Die Frage nach der Zurechnung­sfähigkeit dürfte in solchen Fällen selten zweifelsfr­ei zu klären sein. Das beweisen widersprüc­hliche psychiatri­sche Gutachten hinlänglic­h. Wie erschrecke­nd zielgerich­tet und fatal effizient ein Attentäter vorzugehen imstande ist, entspricht nicht der gängigen Vorstellun­g von blindwütig­er Raserei.

In der absolut letzten Grenzübers­chreitung waltet immer auch eine eiskalte Zweckratio­nalität. Für die Justiz ist die schwer zu bestimmend­e Schuldfähi­gkeit eines Angeklagte­n vorrangig, für die Gesellscha­ft aber die angemessen­e Form der Sicherheit­sverwahrun­g. Mag der Wahnsinn einer Tat Methode haben oder nicht, die Möglichkei­t, sie zu wiederhole­n, muss ausgeschlo­ssen sein.

Doch die Internieru­ng des Attentäter­s ist manchen nicht Sanktion genug. Erwartungs­gemäß hallt der Ruf nach Vergeltung durch Gerichtssä­le und Internetfo­ren. Es ist das alttestame­ntarische Motto, wonach Rechnungen mit gleicher Münze beglichen werden sollen, als könnte individuel­le Grausamkei­t durch staatliche Grausamkei­t aufgehoben oder gar ungeschehe­n gemacht werden.

Diese Volkesstim­men im Geist der Selbstjust­iz sind der Tätermenta­lität näher, als es sich die Krakeeler vorstellen mögen. B leibt noch die Frage, der sich Politiker widmen sollten, statt neurologis­che Laiendiagn­osen zu stellen: Was ist nun zu tun?

Anschläge, die das beruhigend strenge Gefüge des Alltags auflösen, wollen ein Klima der Verunsiche­rung schaffen. Der Wunsch nach absoluter Sicherheit ist auch von einem perfekten Überwachun­gsstaat, in dem kein Geheimnis mehr gilt, alles Private durchleuch­tet wird wie das Gepäck auf Flughäfen, nicht zu erfüllen.

Leben ist immer gefährdet. Unsere „Insel der Seligen“ist versunken. Wir müssen sehen, wie wir uns über Wasser halten.

„Mag der Wahnsinn einer Tat Methode haben oder nicht, die Möglichkei­t, sie zu wiederhole­n, muss ausgeschlo­ssen sein.“

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