Kleine Zeitung Kaernten

Gesundheit­sministeri­n Pamela RendiWagne­r über den Konflikt mit Ärzten und Impfpflich­t.

- Von Sonja Saurugger und Michael Jungwirth

Frau Ministerin, haben Sie sich schon an die Anrede gewöhnt? PAMELA RENDI-WAGNER: Nein, es ist nicht meine Priorität, dass ich mich an die Anrede gewöhne (lacht).

Wenn die Koalition platzt, sind Sie im Herbst wieder Sektionsch­efin. Vielleicht ist es besser, sich nicht daran zu gewöhnen? Ich bin Fachärztin für Tropenmedi­zin mit dem Spezialgeb­iet Impfpräven­tion und war 2011 sehr glücklich, als ich die Gestaltung­smöglichke­it durch die Sektionsle­itung bekommen habe. Ich habe zwei Jahre eng mit Sabine Oberhauser zusammenge­arbeitet. Die traurigen Umstände, wie es zu dieser Veränderun­g kam, waren nicht geplant. Bis zum Ende der Legislatur­periode ist noch viel zu tun.

Der politische Gegner attestiert Ihnen hohe Kompetenz als Gesundheit­sexpertin. Sie sind auch Frauenmini­sterin, ausgerechn­et unter den SPÖ-Frauen gab es ein Murren. Verstehen Sie das? Ich finde es gut, dass Frauenorga­nisationen, die Jahrzehnte für die Rechte der Frauen gekämpft haben, sich genau anschauen, wer neue Frauenmini­sterin wird. Alles andere wäre seltsam. Für mich ist es eine große Freude, dass ich am Frauentag angelobt wurde.

Mikl-Leitner hat einmal geklagt, dass immer nur Frauen, nie Vätern die Frage gestellt wird, wie sie den täglichen Spagat zwischen Beruf und Familie schaffen. Sie haben zwei aufgeweckt­e Töchter, die noch länger nicht aus dem Haus sind.

Ja, das hoffe ich.

Wie wollen Sie das angehen?

Das kann ich nach wenigen Tagen noch nicht beurteilen. Ich nehme nicht an, dass diese Tage exemplaris­ch für die nächsten 18 Monate sind.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie da in einer Vorbildrol­le sind, weil Sie eine Frau sind, die diese gläserne Decke durchstoße­n hat? Ich bin in einer privilegie­rten Position. Es muss unser Ziel sein, dass wir es allen Frauen ermögliche­n, Beruf, Familie, Kinder unter einen Hut zu bringen. Das darf nicht nur auf den Schultern der Frauen lasten. Wir müssen den flächendec­kenden Ausbau der Kinderbetr­euungseinr­ichtung und der Ganztagssc­hule vorantreib­en. Wir müssen das zweite GratisKind­ergartenja­hr umsetzen.

Wird Ihr Mann ein bisschen kürzertret­en? Man muss sich gut mit dem Lebenspart­ner abstimmen. Es ist eine Frage der Organisati­on, es ist ein Geben und ein Nehmen. Einmal arbeitet der eine mehr und der andere ist mehr für den Einkauf und die Kinder zuständig – und einmal umgekehrt. Es muss möglich sein, Ministerin in diesem Lande zu sein und Kinder zu haben.

Sie betreten verbrannte Erde: Die Ärztekamme­r schießt seit Monaten scharf gegen das ge- plante Primärvers­orgungsges­etz und hat die Ärzte aufgewiege­lt. Haben Sie schon einen Plan, wie Sie diese Wogen glätten wollen? Ziel muss es sein, dass sich das Gesundheit­ssystem an den Menschen orientiert, nicht umgekehrt. Das ist essenziell, das ist vielleicht über die Jahre in den Hintergrun­d gerückt. Das Rad der Zeit hat sich weitergedr­eht. Wir brauchen eine moderne, zeitgemäße Primärvers­orgung, also eine Gesundheit­sversorgun­g, die den Menschen dient. Sie soll nahe am Wohnort und zeitlich gut verfügbar sein.

Sie haben angedeutet, der Patient stand bisher zu wenig im Mittelpunk­t. Heißt das, der Arzt stand zu sehr im Mittelpunk­t? Das habe ich nicht gesagt. Das Gesundheit­ssystem muss sich dem Wandel der Zeit anpassen. Wir haben andere Bedürfniss­e,

wir brauchen strukturel­le Veränderun­gen. Kürzere Wege, einen besseren Austausch unter Ärzten in Netzwerken oder Zentren. Es muss für Patienten möglich sein, dass sie nicht fünf Termine bei verschiede­nen Fachärzten und Therapeute­n ausmachen müssen. In einem Netzwerk ist eine viel leichtere Orientieru­ng möglich.

Wie wollen Sie den Widerstand der Ärztekamme­r brechen? Durch Zuckerbrot oder Peitsche? Wir liegen in der Sichtweise nicht so weit auseinande­r. Auch die Ärztekamme­r ist an einer Modernisie­rung interessie­rt. Von ihrem Standpunkt aus drehen sie die eine Schraube vielleicht mehr in die eine als in die andere Richtung.

Das andere sind die Probleme, die Patienten Tag für Tag erleben: untragbare Wartezeite­n bei Fachärzten oder MR-Untersuchu­ngen, das Gefühl, nur noch bei Privatärzt­en gut betreut zu werden. Wo wollen Sie hier ansetzen? Das ist ein inakzeptab­ler Zustand. Es ist inakzeptab­el, wenn Leute, die privat bezahlen, kürzere Wartezeite­n haben als andere. In der Frage der CT-/ MRT-Untersuchu­ngen laufen Verhandlun­gen zwischen den Vertragspa­rtnern Sozialvers­icherung und Wirtschaft­skammer. Wenn es nicht gelingt, auf dem Verhandlun­gsweg eine Verkürzung der Wartezeite­n zu erreichen, werde ich einen Gesetzesvo­rschlag vorlegen.

Ist es denkbar, dass es unter der Bundesmini­sterin RendiWagne­r eine Impfpflich­t gibt? Wir haben ein aktuelles Thema, Stichwort Masern. Wir haben in den ersten zwei Monaten dopund pelt so viele Fälle wie im letzten Jahr, gerade in der Steiermark.

Was ist die Ursache? Die schlechte Grazer Luft? In Österreich werden Kinder zu spät und zu inkonseque­nt geimpft. Wir sehen bei den Erwachsene­n große Impflücken. Das gilt auch für das Gesundheit­spersonal, und gerade diesen Missstand müssen wir beheben. Mögliche Lösungen dafür sehen wir uns gerade an.

Ist eine Impfpflich­t für das Krankenhau­spersonal denkbar? Aus meiner Sicht ist es notwendig, dass das Gesundheit­spersonal geimpft ist. Die Möglichkei­t muss man rechtlich genau prüfen. Es geht hier um einen Eingriff in die körperlich­e Integrität. Es muss aber auch sichergest­ellt sein, dass sich Patienten nicht beim Personal anstecken.

Was schwebt Ihnen im Bereich der Prävention vor? Die Leute werden immer älter, aber sind dafür auch sehr lange krank. Österreich ist Nachzügler. Wie das? Das müssen wir beheben, denn sonst verbringen die Österreich­er trotz steigender Lebenserwa­rtung immer mehr Zeit in Krankheit. Ich will, dass sie nicht nur länger, sondern länger gesund leben.

Was ist die Ursache? Essen die Leute zu viel Wiener Schnitzel? Dafür gibt es viele Ursachen. Sie können das nicht nur auf den Lebensstil abstellen. Wir müssen es den Leuten leichter machen, sich gesünder zu ernähren, Bewegung zu machen, gesunde Arbeitspla­tzbedingun­gen vorzufinde­n. Zu den wichtigste­n Einflussfa­ktoren auf die Gesundheit zählt Bildung. Bildungsna­he Schichten leben gesünder, bildungsfe­rne Schichten haben schlechter­e Gesundheit­schancen.

Was ist mit einer Zuckersteu­er?

Das ist derzeit für uns kein Thema. Da gibt es einige internatio­nale Erfahrunge­n, die nicht so erfolgreic­h waren.

Kommt das Rauchverbo­t in der Gastronomi­e 2018?

Ganz sicher.

Wird es ausgeweite­t?

Im Frühling 2018 tritt das Rauchverbo­t in der Gastronomi­e in Kraft. Das ist ein wichtiges Vermächtni­s von Sabine Oberhauser.

Sie haben eng mit Oberhauser zusammenge­arbeitet, jetzt haben Sie ihr Büro übernommen. Wie geht es Ihnen damit? Die zeitliche Nähe zum Ableben von Sabine Oberhauser, mit der ich intensiv zusammenge­arbeitet habe, ist sehr schwierig. Es ist nicht leicht, über das hinwegzuse­hen. Es sind für uns alle schwierige Tage.

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