| Thomas Götz über Papst Franziskus
Seit vier Jahren regiert Papst Franziskus die katholische Kirche. Bleibende Veränderungen sind ihm bisher nicht gelungen. Aber sein neuer Ton erfrischt noch immer.
Morgen vor vier Jahren haben die Kardinäle Jorge Maria Bergoglio zum Papst gewählt. Seither bemüht sich der argentinische Jesuit, festgefahrene Vorstellungen von seinem Amt, von der Kirche und ihrem Auftrag aufzubrechen. Unter der Kruste des Überkommenen, so scheint er zu hoffen, muss doch neues Leben zutage treten.
Wen wundert es, dass so ein Mann irritiert? Sind Päpste nicht dazu da, Verlässliches, Letztgültiges zu formulieren, in unpersönlichem, etwas lebensfernem Ton? Lange war es so. Franziskus aber passt auch vier Jahre nach seiner Amtseinführung noch nicht in dieses Schema. Er passt in gar kein Schema. Alle Versuche, ihn für die eine oder andere Sache zu vereinnahmen, sind gescheitert. Wer von ihm radikale Kirchenreformen erhofft, findet ihn zu lasch, wer Kontinuität will, leidet an seiner Sprunghaftigkeit.
Das Gespräch, das Giovanni di Lorenzo, der Chefredakteur der „Zeit“mit ihm führte, zeigt wieder einmal, dass die herkömmlichen Schablonen nicht auf den Mann passen. Was er zu den Streitthemen sagt, die kir- chenintern so wichtig scheinen, ist vage. Über die Weihe bewährter verheirateter Männer, „viri probati“genannt, müsse man nachdenken, sagt er etwa. Nicht sehr konkret. Franziskus wirkt dort stark, wo Lebenserfahrung mitschwingt. „Ein Glaube, der nicht in die Krise gerät, um an ihr zu wachsen, bleibt infantil“, sagt er. „Ängste schließen Türen. Die Freiheit öffnet sie. Habt keine Angst.“Das ist der Ton eines guten Landpfarrers, verständlich und persönlich. Was will man mehr von einem Papst?
Franziskus macht sich über sich selbst lustig, über Journalisten und über Kardinäle. Er spricht von seinen Zweifeln und Durststrecken, von Krieg und Hunger. Die Überhöhung seiner Person lehnt er ab und nutzt sie listig, um sich Gehör zu verschaffen. Der Nimbus des Papstes, den Franziskus in vielen kleinen Gesten zu zerkleinern versucht, öffnet ihm zugleich Türen und gibt seinem Wort zusätzliches Gewicht.
Mit den Jahren droht freilich die Gefahr der Abnützung. Gegner rechnen ihm vor, die demonstrative Demutsgeste des Wohnens im vatikanischen Hotel sei teurer als der vorschriftsgemäße Wohnsitz im apostolischen Palast. Und der saloppe Ton des Papstes bringt Unruhe in eine Organisation, die in hohem Maße verrechtlicht ist.
Gut so, wird Franziskus sagen, das ist die Absicht. Aber, und das werfen ihm nicht nur seine Gegner vor, am Ende muss das Neue wieder in Formen gegossen werden, sonst bleibt es bei Reden ohne Folgen. Was bisher geschah, hört man aus der Kurie, könnte ein möglicherweise ganz andersgearteter Nachfolger mit einem Federstrich wieder rückgängig machen.
Aber vielleicht geht es diesem Mann gar nicht um die große Reform der Struktur. Vielleicht will er nur Chefarzt sein im Feldlazarett, als das er die Kirche einmal beschrieben hat. Den hat die Welt vermutlich auch nötiger als einen Großreformer.