Wir brauchen klare Konzepte für Integration
N ahezu täglich fällt dem wortrabiaten Innenminister eine Verschärfung der geltenden Gesetze ein. Im ungeheuren Tempo präsentiert er Vorschläge zur Einschränkung von Freiheitsrechten, Sanktionen aller Art und ein unbedingt „härteres Vorgehen“. Effektive Regierungsarbeit wird durch Propaganda mit einer polarisierenden Ausgrenzungsrhetorik ersetzt. Was wäre anstelle dessen zu tun? Zuerst ist es notwendig, auf die Sprache zu achten. Menschen, die ihr Land aufgrund ernsthafter Bedrohung verlassen mussten, dürfen nicht pauschal als „Sicherheitsgefährder“kriminalisiert werden. Dies entbehrt jeder Erfahrungsgrundlage und ist in allen Belangen gegenüber den Betroffenen respektlos. Zweitens ist es höchste Zeit, wesentlich besser auf die jungen Leute zu schauen, die an der Schwelle zu ihrem Berufsleben zu scheitern drohen, weil sie schulische Ausbildungen abgebrochen haben oder aufgrund von migrationsbedingten Defiziten nie zu einer solchen gekommen sind. Ob freiwillig oder gezwungenermaßen – Österreich werden die meisten von ihnen nicht verlassen. Wir müssen deshalb alles versuchen, um dieser Zielgruppe eine reale Zukunftschance zu geben. Ihr Identitätshunger im Zwiespalt kultureller Zugehörigkeit ist übermäßig groß. Sie erleben die Angebote einer westlichen Zivilisation und fühlen sich dennoch nicht zugehörig. Hinzu kommen eine meist belastete Vergangenheit oder traumatische Ereignisse auf ihrem Weg nach Europa. E s ist leider allzu naheliegend, dass einige von ihnen ihre Identität in einem aggressiven Widerspruch zur Mehrheitsgesellschaft aufbauen. Wie wir alle leben sie von konkreten Erfolgsgeschichten, die ihnen einen sinnstiftenden Blick auf ihr Leben ermöglichen. Um die hier skizzierte Aufgabe zu bewältigen, braucht es ein positives und ermutigendes Zugehen auf die genannte Zielgruppe, klare Konzepte von Integration sowie eine bessere Koordination staatlicher und ziviler Initiativen. Nur gemeinsam kann es uns gelingen, den jungen Leuten eine reale Partizipation an unserer Gesellschaft zu ermöglichen.
Hermann Glettler ist Bischofsvikar für Caritas und Evangelisation. Der Text ist ein Auszug aus der Rede bei der Verleihung des Menschenrechtspreises in Graz
„Menschen, die ihr Land aufgrund ernsthafter Bedrohung verlassen müssen, dürfen nicht pauschal kriminalisiert werden.“