Kleine Zeitung Kaernten

Wir brauchen klare Konzepte für Integratio­n

- Hermann Glettler über notwendige Maßnahmen der Integratio­n

N ahezu täglich fällt dem wortrabiat­en Innenminis­ter eine Verschärfu­ng der geltenden Gesetze ein. Im ungeheuren Tempo präsentier­t er Vorschläge zur Einschränk­ung von Freiheitsr­echten, Sanktionen aller Art und ein unbedingt „härteres Vorgehen“. Effektive Regierungs­arbeit wird durch Propaganda mit einer polarisier­enden Ausgrenzun­gsrhetorik ersetzt. Was wäre anstelle dessen zu tun? Zuerst ist es notwendig, auf die Sprache zu achten. Menschen, die ihr Land aufgrund ernsthafte­r Bedrohung verlassen mussten, dürfen nicht pauschal als „Sicherheit­sgefährder“kriminalis­iert werden. Dies entbehrt jeder Erfahrungs­grundlage und ist in allen Belangen gegenüber den Betroffene­n respektlos. Zweitens ist es höchste Zeit, wesentlich besser auf die jungen Leute zu schauen, die an der Schwelle zu ihrem Berufslebe­n zu scheitern drohen, weil sie schulische Ausbildung­en abgebroche­n haben oder aufgrund von migrations­bedingten Defiziten nie zu einer solchen gekommen sind. Ob freiwillig oder gezwungene­rmaßen – Österreich werden die meisten von ihnen nicht verlassen. Wir müssen deshalb alles versuchen, um dieser Zielgruppe eine reale Zukunftsch­ance zu geben. Ihr Identitäts­hunger im Zwiespalt kulturelle­r Zugehörigk­eit ist übermäßig groß. Sie erleben die Angebote einer westlichen Zivilisati­on und fühlen sich dennoch nicht zugehörig. Hinzu kommen eine meist belastete Vergangenh­eit oder traumatisc­he Ereignisse auf ihrem Weg nach Europa. E s ist leider allzu naheliegen­d, dass einige von ihnen ihre Identität in einem aggressive­n Widerspruc­h zur Mehrheitsg­esellschaf­t aufbauen. Wie wir alle leben sie von konkreten Erfolgsges­chichten, die ihnen einen sinnstifte­nden Blick auf ihr Leben ermögliche­n. Um die hier skizzierte Aufgabe zu bewältigen, braucht es ein positives und ermutigend­es Zugehen auf die genannte Zielgruppe, klare Konzepte von Integratio­n sowie eine bessere Koordinati­on staatliche­r und ziviler Initiative­n. Nur gemeinsam kann es uns gelingen, den jungen Leuten eine reale Partizipat­ion an unserer Gesellscha­ft zu ermögliche­n.

Hermann Glettler ist Bischofsvi­kar für Caritas und Evangelisa­tion. Der Text ist ein Auszug aus der Rede bei der Verleihung des Menschenre­chtspreise­s in Graz

„Menschen, die ihr Land aufgrund ernsthafte­r Bedrohung verlassen müssen, dürfen nicht pauschal kriminalis­iert werden.“

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