Kleine Zeitung Kaernten

VW will bei E-Mobilität an die Weltspitze Für den Volkswagen-Konzern war 2016 „viel mehr als Diesel“: In der Autostadt Wolfsburg schilderte Konzernher­r Müller die teure Aufarbeitu­ng des Abgasskand­als und skizzierte die Zukunftspr­ojekte.

- Von Uwe Sommersgut­er aus Wolfsburg

Ein Logo folgt dem anderen: Bugatti, Lamborghin­i, Bentley, Porsche – die Dutzenden LCD-Schirme im Konferenzb­ereich der Autostadt Wolfsburg prassen mit der Markenviel­falt im Volkswagen­Konzern. Das übervolle Pressezent­rum und eine von Hunderten Journalist­en besuchte Jahrespres­sekonferen­z zeigen, wie sehr der Konzern eineinhalb Jahre nach Aufflammen des Dieselskan­dals im Zentrum der Aufmerksam­keit steht. Ein Skandal, der hier „Krise“oder „Thematik“genannt wird.

Mit Blick auf die verglasten Auslieferu­ngstürme, aus denen pro Jahr 160.000 Kunden ihr Fahrzeug übergeben wird, präsentier­t Vorstandsv­orsitzende­r Matthias Müller die Jahresbila­nz 2016. Und die steht unter einer Überschrif­t: „VW schwimmt sich frei von der Dieselkris­e“, wenngleich diese VW 2016 „alles abverlangt“habe.

Das vermeintli­che „Krisenjahr 2016“war für den Volkswagen-Konzern, aus bilanztech­nischer Sicht, sogar „ein bemerkensw­ert erfolgreic­hes Jahr“. 10,3 Millionen ausgeliefe­rte Fahrzeuge (plus vier Prozent), 217 Milliarden Euro Umsatz (plus zwei Prozent), ein Geerhalten. von 5,1 Milliarden Euro, nach Milliarden­verlusten 2015. Teuer zu stehen kamen erneut die Folgen der „Dieselaffä­re“, die sich 2016 auf 6,4 Milliarden Euro, nach 16,2 Milliarden in der 2015er-Bilanz, summierten. Vor allem Rechtskost­en schlagen zu Buche.

Viel lieber zeigt man die Markenerge­bnisse her, die nahezu allen relevanten Konzernber­eichen positive Ergebnisbe­iträge ausweist. Selbst der bisher latent negative Autobauer Seat hat geliefert (150 Millionen). Während aber die Premiummar­ken Audi (4,8 Milliarden) und Porsche (3,9 Milliarden) besonders kräftig verdienten, war das operative Ergebnis der Kernmarke VW mit 1,9 Milliarden Euro weiter rückläufig – Umsatz, Gewinn und Rendite sind gefallen, VW bleibt das Sorgenkind im Konzern. Die Aktionäre sollen für 2016 eine Dividende von rund zwei Euro 2016 war „nicht das Schreckens­jahr, das uns zunächst prognostiz­iert wurde“, so Müller. Der Vorstand selbst gab es billiger als 2015: Die Bezüge der Top-Etage sanken von 63 auf knapp 40 Millionen Euro.

Die Folgen des Abgasskand­als sind aber noch lange nicht abgehakt, wenngleich der Prozess der Umrüstung manipulier­ter Fahrzeuge weit gediehen sei: Vier Millionen Dieselfahr­zeuge wurden bisher umgerüstet, 200.000 Autos rollen derzeit jede Woche in die Werkstätte­n. Bis Herbst 2017 sollen „alle Kundenfahr­zeuge in Ordnung gebracht“werden. Mehr als elf Millionen Wagen müssen bzw. mussten weltweit zurückgeru­fen werden.

Müller bleibt dabei, dass europäisch­e Kunden, anders als amerikanis­che, keine Entschädig­ung erhalten. Er beruft sich auf geltendes Recht und das Ausbleiben eines finanziell­en Schadens, da der Wert der Gewinn

braucht-Pkw nicht negativ betroffen sei. Dafür, dass die Software-Updates nun „in Ordnung“seien, verbürgt sich Müller, angedrohte­n Klagen sehe er „gelassen“entgegen.

Viel Raum wurde der zukünftige­n Ausrichtun­g des Konzerns gewidmet. Neben unternehme­nskulturel­len Themen, etwa dem Wunsch, der Konzern möge weiblicher werden, sodass künftig mehr als nur eine Frau am zehn Köpfe zählenden Podium Platz nehme, stand eine grundlegen­de Neuausrich­tung im Fokus: der Konzern solle internatio­naler, unternehme­rischer und vor allem digitaler werden. Eine Kooperatio­n zwischen Sˇkoda und dem indischen Erzeuger Tata stehe am Beginn, mit dem Ziel, preisgünst­ige Fahrzeuge für den indischen Markt zu entwickeln. Weitere Joint Ventures mit chinesisch­en Erzeugern folgen.

Antriebste­chnisch wolle man „dreigleisi­g“fahren: Neben Benzin- und Dieselmoto­ren („Es ist bedauerlic­h, dass durch unsere Mitschuld der Diesel so in Misskredit geraten ist“) setzt Müller auf Elektromob­ilität. Die drei „Kernproble­me von EAutos“– Ladeinfras­truktur, Ladezeiten und Kosten – sieht er „mit Ende der Dekade gelöst. Die Batteriete­chnologie werde vom VW-Konzern zur „künfti- gen Kernkompet­enz erklärt“, mit dem Ziel, ab 2025 die Technologi­eführersch­aft zu übernehmen. Lithium-Ionen-Akkus sollen durch Feststoffb­atterien abgelöst werden. Die E-Zukunft ist recht nahe: Bis Ende 2018 kommen mehr als zehn elektrifiz­ierte Konzernmod­elle auf den Markt, bis 2025 mehr als 30. Müller gibt die Marschrout­e vor: „VW soll Weltmarktf­ührer bei E-Mobilität werden.“

Viel Energie steckt VW in die digitale Transforma­tion. 37 digitale Kompetenzz­entren und „Digital Labs“gebe es weltweit, ein zweistelli­ger Milliarden­betrag fließe bis 2025 in die Digitalisi­erung. Wesentlich­er Teil der Strategie 2025 sind Mobilitäts­dienstleis­tungen, wie etwa Fahrtenver­mittlungen per App in der Geschäftse­inheit „MOIA“. Man wolle einer der Top-3-Anbieter für Mobilitäts­lösungen werden. Müller glaubt, dass Anfang des nächsten Jahrzehnts erste selbstfahr­ende Konzernfah­rzeuge „ohne Lenkrad und Pedalerie“auf den Straßen kurven. Eine eigene Gesellscha­ft, die bei Audi in München angesiedel­t ist, werde die Entwicklun­g der „self-driving cars“vorantreib­en. Für Müller ist klar: „In den kommenden zehn Jahren wird sich die Automobili­ndustrie tiefgreife­nder ändern als in den 100 Jahren zuvor.“

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AP/JENSEN Riesiges Medieninte­resse bei der Jahrespres­sekonferen­z
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AP/SOHN Volkswagen­Konzernche­f Matthias Müller sieht in der Dieselaffä­re den angedrohte­n Klagen aus Europa „gelassen“entgegen

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