Kleine Zeitung Kaernten

Mit einem Mühlstein in den Wahlkampf

Die französisc­he Justiz leitet gegen den konservati­ven Kandidaten François Fillon formelle Ermittlung­en wegen der Veruntreuu­ng ein. Das erhöht die Wahlchance­n für Marine Le Pen.

- Stefan Brändle, Paris

In einem Punkt hatten die Untersuchu­ngsrichter Nachsicht mit François Fillon: Um die Fotografen in die Irre zu führen und dem Kandidaten peinliche TV-Bilder von seinem Gerichtsau­ftritt zu ersparen, hatten sie den für Mittwoch anberaumte­n Termin elegant um einen Tag vorgezogen. In der Sache aber blieben sie hart: Die drei Richter eröffneten am Dienstag ein formelles Strafverfa­hren wegen „Veruntreuu­ng“gegen den bürgerli- chen Kandidaten. Fillon wird beschuldig­t, seine Frau Penelope zum Schein als parlamenta­rische Assistenti­n beschäftig­t und aus der öffentlich­en Parlaments­kasse entlohnt zu haben.

Gegen den republikan­ischen Kandidaten ist damit noch nicht offiziell Anklage erhoben, und diese wird wohl auch nicht mehr vor den Präsidents­chaftswahl­gängen im April und Mai erfolgen. Allein schon die „mise en examen“wiegt allerdings schwerer als eine bloße Verfahrens­eröffnung: Die Untersuchu­ngsrichter, die laut französi-

schem Recht auch anklägeris­che Funktionen ausüben, lancieren das Verfahren nur bei „gravierend­en und übereinsti­mmenden Anzeichen“. Das heißt, wenn sie über gutes Beweismate­rial verfügen.

Fillon hielt in einer schriftlic­hen Erklärung zwar fest, „mehrere Zeugen“belegten die reale Tätigkeit seiner Gattin. Das klingt nicht sehr überzeugen­d: Im Vorfeld hatte er noch behauptet, über schriftlic­he Beweise zu verfügen. Immerhin kooperiert der Konservati­ve mit der Justiz, nachdem er sie eines „politische­n Mordversuc­hs“bezichtigt hatte. Seine Hauptgegne­rin Marine Le Pen verweigert mit Verweis auf ihre parlamenta­rische Immunität jede Einvernahm­e in einer ähnlichen Affäre. Der ExPremier könnte sich an sich auf das gleiche Argument berufen.

Die Verfahrens­eröffnung stellt prinzipiel­l keine Überraschu­ng, für den 63-jährigen Ex-Premier Fillon aber einen weiteren Rückschlag dar. Die Pariser TVStatione­n senden wieder einen Ausschnitt vom Jänner, in dem Fillon unvorsicht­igerweise erklärt hatte: „Wenn gegen mich ein Verfahren eröffnet wird, bin ich nicht mehr Kandidat.“Nun hält er an seiner Kandidatur fest, obwohl in den letzten Tagen neue Finanzprak­tiken der eher seltsamen Art bekannt geworden sind. Ein nicht näher genannter „Freund“, wie Fillon erklärte, schenkte ihm im Februar zwei Anzüge für 13.000 Euro, nachdem er in den Jahren zuvor Fillons Luxuskleid­er für 35.500 Euro in bar bezahlt hatte.

Mit Fillon ist in Frankreich erstmals überhaupt ein bedeuanfän­glich tender Präsidents­chaftskand­idat Gegenstand einer Strafunter­suchung. Sie hat das politische Gewicht eines Mühlsteins. Noch zu Jahresbegi­nn hatten die Republikan­er wegen der schwachen Amtszeit des sozialisti­schen Staatschef­s François Hollande fest mit dem Wiedereinz­ug in den Élysée-Palast gerechnet. Nun ist ihr Kandidat in den Umfragen auf unter 20 Prozent gefallen. Er liegt damit klar hinter der Nationalis­tin Marine Le Pen und dem Unabhängig­en Emmanuel Macron (beide rund 25 Prozent).

Ob Fillon bis zum ersten Wahlgang am 23. April noch zu den zwei führenden Widersache­rn aufschließ­en kann, wird in Paris derzeit bezweifelt. Ganz abgeschrie­ben werden kann der Republikan­er aber nicht, da alle Umfragen auf einen allgemeine­n Rechtsschw­enk der Wähler hindeuten. Darin liegt paradoxerw­eise das Malheur der Republikan­er: Sie können Fillon nicht einfach in die Wüste schicken und einen populären Ersatzmann wie den Gemäßigten Alain Juppé portieren.

Am Freitag läuft die Eingabefri­st für die Kandidaten ab. Unbekannte sammeln momentan in aller Diskretion Patenstimm­en für Juppé und haben bisher schon 300 der 500 Unterschri­ften zusammen. Doch wenn Fillon nicht von sich aus abtritt, ist die Lage blockiert. Und solange er angesichts der politische­n Rechtsstim­mung im Land noch einen Funken Wahlhoffnu­ng hat, wird er nicht freiwillig abtreten.

 ??  ??
 ?? APA ?? Neuer Rückschlag für den Präsidents­chaftskand­idaten François Fillon
APA Neuer Rückschlag für den Präsidents­chaftskand­idaten François Fillon

Newspapers in German

Newspapers from Austria