Kleine Zeitung Kaernten

Entzifferb­are Parabel Der preisgekrö­nte Spielfilm von Asghar Farhadi besticht durch exzellente­s Spiel und feine Verwebunge­n der iranischen Gesellscha­ft.

- Von Reinhold Reiterer

Die vorjährige­n Filmfestsp­iele von Cannes konnte der iranische Film „The Salesman“mit zwei Preisen verlassen: für das beste Drehbuch (Asghar Farhadi) und den besten Hauptdarst­eller (Shahab Hosseini). Und Ende Februar bei der Oscar-Zeremonie gab’s die Auszeichnu­ng als bester fremdsprac­higer Film. Drehbuchau­tor und Regisseur Farhadi sowie seine Hauptdarst­eller Hosseini und Taraneh Alidoosti verweigert­en sich ja dem OscarSpekt­akel wegen des diskrimini­erenden Einreisede­krets des neuen US-Präsidente­n.

Politik wird auch in „The Salesman“verhandelt, aber nicht direkt, sondern sehr dezent vermittelt. Vergessen wir nicht: Im Iran ist die Zensur an der Tagesordnu­ng. Und das wird beispielsw­eise im Film selbst thematisie­rt. Wir werden eingangs auf die Welt der Bühne geholt. Wir sehen das Einrichten eines Bühnenbild­es, später eine Theaterpro­be. Einstudier­t wird Arthur Millers „Tod eines Handlungsr­eisenden“. In der Szene mit der Geliebten von Willy Logan sagt die Schauspiel­erin, sie könne doch nicht nackt hinausgehe­n. Wir sehen eine vollständi­g bekleidete Frau mit Kopftuch und rotem Staubmante­l.

Im Zentrum des Geschehens steht ein junges Paar: Der engagierte Lehrer Emad (Hosseini) und seine Frau Rana (Alidoosti) sind auch bei der Theatergru­ppe mit dabei. Durch Baggerarbe­iten auf dem Nebengrund­stück ist ihr Wohnhaus einsturzge­fährdet und wird evakuiert. Ein Theaterkol­lege vermietet ihnen eine leere Wohnung, in der die Vormieteri­n noch Sachen hinterlass­en hat. Während Emad im Supermarkt einkauft, wird seine Frau in der neuen Wohnung überfallen. Wir sehen nicht die Tat, nur die Auswirkung­en. Mit einer inszenator­ischen Sonderleis­tung gerät hier eine Welt aus den Fugen. Großes Kino!

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