Trumpshow Beim ersten Aufeinandertreffen in Washington bemühen sich die deutsche Bundeskanzlerin und der US-Präsident demonstrativ um Harmonie. Der Streit wird vertagt.
Von unserem Korrespondenten
Die Pressekonferenz im prunkvollen East Room des Weißen Hauses läuft eine Viertelstunde, als es richtig unangenehm für Donald Trump zu werden scheint. Die ersten Reporter haben nach seiner umstrittenen Gesundheitsreform gefragt, als die selbstinszenierte Abhöraffäre des Präsidenten zur Sprache kommt. Ohne Belege hatte er behauptet, sein Vorgänger Barack Obama habe im Wahlkampf sein Telefon angezapft. Und nun will ein deutscher Korrespondent wissen, was es mit der Sache auf sich hat – vor einem riesigen Fernsehpublikum und mit der deutschen Kanzlerin an der Seite. Trump reagiert so schnell wie dreist. „Zumindest haben wir beide etwas gemeinsam“, sagt er lächelnd zum Gast aus Deutschland. Merkel wirkt verdutzt. Die Zuhörer lachen.
Frechheit siegt. Tatsächlich wurde Merkels Handy von der NSA abgehört. Bei Trump aber sprechen alle Indizien gegen seine Behauptung. Gerade erst musste sich das Weiße Haus bei der britischen Regierung entschuldigen, die man mit in die Verschwörungsgeschichte verwickelt hatte. Und das soll den Gastgeber und seine Besucherin verbinden? Irgendetwas stimmt nicht mit der gespielten Harmonie an diesem Tag.
Relativ frostig hat der Tag in Washington begonnen. Zwar ist von dem Wintersturm, der die Verschiebung von Merkels Visite vor drei Tagen erzwang, nichts mehr zu ahnen. Nur noch ein paar glitzernde Schneereste schmücken pittoresk den Rasen vor dem Weißen Haus, als Merkel im türkisfarbenen Blazer die Ehrenformation abschreitet. Hinter verschlossenen Türen wird sie von Trump begrüßt, der sie ins Oval Office führt. Nach einiger Zeit öffnet sich die Tür, und ein paar Fotografen dürfen die Szene festhalten.
sitzen auf zwei gelben Sesseln vor einem kalten Kamin. Minutenlang reden sie kein Wort miteinander. „Können Sie einmal die Hände schütteln?“, bittet ein Fotograf. Trump reagiert merkwürdig abweisend. Sie habe einen „sehr freundlichen Empfang“erlebt, sagt Merkel. So sieht es zu diesem Zeitpunkt nicht aus.
So intensiv wie nie zuvor hat sich die Kanzlerin auf diesen Besuch vorbereitet. Immerhin wird sie von den US-Medien inzwischen als „Führerin der freien Welt“betitelt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Sie hat sich Trumps Reden angeschaut, mit dem kanadischen Premier Justin Trudeau telefoniert, dessen Hand Trump besitzergreifend lang schütteln wollte, und selbst ein TrumpInterview von 1990 mit dem „Playboy“nachgelesen. Dort wird der damals erfolgreiche Casino-Betreiber nach seinem Erfolgsgeheimnis gefragt. „Die Show heißt Trump, und sie ist überall ausverkauft“, prahlt er. Inzwischen sind Trumps Spielbanken in Atlantic City pleite, aber die Show geht auf großer Bühne weiter – und Merkel ist für ein paar Stunden mittendrin.
Als die beiden Politiker zu einem Gespräch mit Wirtschaftsvertretern in den Cabinet Room wechseln, scheint die Stimmung aufgehellt zu sein. Trump lobt die Führungsqualitäten der Deutschen überschwänglich. Und seine Tochter Ivanka setzt schnell noch ein paar Namensschildchen am Tisch um. Merkel sitzt zwischen Ivanka und Klaus Rosenfeld, dem Chef des Automobilzulieferers Schaeffler. Denn auch Merkel hat sich vorbereitet: Um Trumps erwartbare Kritik am deutschen Außenhandelsüberschuss zu kontern, hat sie drei Konzernchefs mit jeweils einem amerikanischen Auszubildenden mitgebracht. Insgesamt 670.000 Amerikaner sind bei deutschen Unternehmen beschäftigt. Darauf will Merkel hinweisen.
Ansonsten aber vermeidet die Kanzlerin lautstarke Ratschläge an den Mann, der sie im Wahlkampf wegen ihrer Flüchtlingspolitik als „geisteskrank“diffamiert hatte. Es gehe darum, nach vorn zu schauen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten, haben ihre Berater vorher gesagt. „Es ist sehr viel besser, miteinander zu reden als übereinander“, sagt sie am Nachmittag bei der Pressekonferenz. Da strahlt Trump.
In der Sache bleiben die Ausführungen vage. Immerhin äußert Trump „starke Unterstützung“für die Nato und bekennt sich zum Welthandel. Fair müsse es bei beiden aber zugehen, was im ersten Fall bedeutet, dass die Deutschen mehr zahlen müssen. Merkel verweist auf ihre Absicht, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.
der Flüchtlingspolitik bleibt unüberhörbar. Aber als Trump hervorhebt, die deutsch-amerikanische Partnerschaft beruhe auf den gemeinsamen Werten der Bürgerrechte, der Verfassung und des Friedens klingt das fast wie Merkels Ermahnung zu Beginn seiner Amtszeit vor 57 Tagen. Das Problem bei Trump ist nur: Man weiß nie, wie ernst er seine Worte meint. Nach der Begegnung mit Merkel legt er beim Regieren erst einmal eine Pause ein und flieht – wie fast jedes Wochenende – zum Golfspielen nach Florida.