Kleine Zeitung Kaernten

Trumpshow Beim ersten Aufeinande­rtreffen in Washington bemühen sich die deutsche Bundeskanz­lerin und der US-Präsident demonstrat­iv um Harmonie. Der Streit wird vertagt.

Von unserem Korrespond­enten

- Peter Merkel und Trump Der Dissens in

Die Pressekonf­erenz im prunkvolle­n East Room des Weißen Hauses läuft eine Viertelstu­nde, als es richtig unangenehm für Donald Trump zu werden scheint. Die ersten Reporter haben nach seiner umstritten­en Gesundheit­sreform gefragt, als die selbstinsz­enierte Abhöraffär­e des Präsidente­n zur Sprache kommt. Ohne Belege hatte er behauptet, sein Vorgänger Barack Obama habe im Wahlkampf sein Telefon angezapft. Und nun will ein deutscher Korrespond­ent wissen, was es mit der Sache auf sich hat – vor einem riesigen Fernsehpub­likum und mit der deutschen Kanzlerin an der Seite. Trump reagiert so schnell wie dreist. „Zumindest haben wir beide etwas gemeinsam“, sagt er lächelnd zum Gast aus Deutschlan­d. Merkel wirkt verdutzt. Die Zuhörer lachen.

Frechheit siegt. Tatsächlic­h wurde Merkels Handy von der NSA abgehört. Bei Trump aber sprechen alle Indizien gegen seine Behauptung. Gerade erst musste sich das Weiße Haus bei der britischen Regierung entschuldi­gen, die man mit in die Verschwöru­ngsgeschic­hte verwickelt hatte. Und das soll den Gastgeber und seine Besucherin verbinden? Irgendetwa­s stimmt nicht mit der gespielten Harmonie an diesem Tag.

Relativ frostig hat der Tag in Washington begonnen. Zwar ist von dem Winterstur­m, der die Verschiebu­ng von Merkels Visite vor drei Tagen erzwang, nichts mehr zu ahnen. Nur noch ein paar glitzernde Schneerest­e schmücken pittoresk den Rasen vor dem Weißen Haus, als Merkel im türkisfarb­enen Blazer die Ehrenforma­tion abschreite­t. Hinter verschloss­enen Türen wird sie von Trump begrüßt, der sie ins Oval Office führt. Nach einiger Zeit öffnet sich die Tür, und ein paar Fotografen dürfen die Szene festhalten.

sitzen auf zwei gelben Sesseln vor einem kalten Kamin. Minutenlan­g reden sie kein Wort miteinande­r. „Können Sie einmal die Hände schütteln?“, bittet ein Fotograf. Trump reagiert merkwürdig abweisend. Sie habe einen „sehr freundlich­en Empfang“erlebt, sagt Merkel. So sieht es zu diesem Zeitpunkt nicht aus.

So intensiv wie nie zuvor hat sich die Kanzlerin auf diesen Besuch vorbereite­t. Immerhin wird sie von den US-Medien inzwischen als „Führerin der freien Welt“betitelt. Entspreche­nd hoch sind die Erwartunge­n. Sie hat sich Trumps Reden angeschaut, mit dem kanadische­n Premier Justin Trudeau telefonier­t, dessen Hand Trump besitzergr­eifend lang schütteln wollte, und selbst ein TrumpInter­view von 1990 mit dem „Playboy“nachgelese­n. Dort wird der damals erfolgreic­he Casino-Betreiber nach seinem Erfolgsgeh­eimnis gefragt. „Die Show heißt Trump, und sie ist überall ausverkauf­t“, prahlt er. Inzwischen sind Trumps Spielbanke­n in Atlantic City pleite, aber die Show geht auf großer Bühne weiter – und Merkel ist für ein paar Stunden mittendrin.

Als die beiden Politiker zu einem Gespräch mit Wirtschaft­svertreter­n in den Cabinet Room wechseln, scheint die Stimmung aufgehellt zu sein. Trump lobt die Führungsqu­alitäten der Deutschen überschwän­glich. Und seine Tochter Ivanka setzt schnell noch ein paar Namensschi­ldchen am Tisch um. Merkel sitzt zwischen Ivanka und Klaus Rosenfeld, dem Chef des Automobilz­ulieferers Schaeffler. Denn auch Merkel hat sich vorbereite­t: Um Trumps erwartbare Kritik am deutschen Außenhande­lsüberschu­ss zu kontern, hat sie drei Konzernche­fs mit jeweils einem amerikanis­chen Auszubilde­nden mitgebrach­t. Insgesamt 670.000 Amerikaner sind bei deutschen Unternehme­n beschäftig­t. Darauf will Merkel hinweisen.

Ansonsten aber vermeidet die Kanzlerin lautstarke Ratschläge an den Mann, der sie im Wahlkampf wegen ihrer Flüchtling­spolitik als „geisteskra­nk“diffamiert hatte. Es gehe darum, nach vorn zu schauen und Möglichkei­ten der Zusammenar­beit auszuloten, haben ihre Berater vorher gesagt. „Es ist sehr viel besser, miteinande­r zu reden als übereinand­er“, sagt sie am Nachmittag bei der Pressekonf­erenz. Da strahlt Trump.

In der Sache bleiben die Ausführung­en vage. Immerhin äußert Trump „starke Unterstütz­ung“für die Nato und bekennt sich zum Welthandel. Fair müsse es bei beiden aber zugehen, was im ersten Fall bedeutet, dass die Deutschen mehr zahlen müssen. Merkel verweist auf ihre Absicht, die Verteidigu­ngsausgabe­n zu erhöhen.

der Flüchtling­spolitik bleibt unüberhörb­ar. Aber als Trump hervorhebt, die deutsch-amerikanis­che Partnersch­aft beruhe auf den gemeinsame­n Werten der Bürgerrech­te, der Verfassung und des Friedens klingt das fast wie Merkels Ermahnung zu Beginn seiner Amtszeit vor 57 Tagen. Das Problem bei Trump ist nur: Man weiß nie, wie ernst er seine Worte meint. Nach der Begegnung mit Merkel legt er beim Regieren erst einmal eine Pause ein und flieht – wie fast jedes Wochenende – zum Golfspiele­n nach Florida.

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