Kleine Zeitung Kaernten

Aktionisti­scher Leerlauf

Woran die Politik zunehmend krankt, ist ein Hyperaktio­nismus, der die Herzen erwärmt, die Gemüter beruhigt, aber über kosmetisch­e Eingriffe nicht hinauskomm­t.

- Michael Jungwirth

Durchbruch bei der Schulauton­omie, Einigung beim Fremdenrec­htspaket, Fortschrit­t bei der Familienbe­ihilfe – Bürgerherz, was willst du mehr?

Dass sich die ÖVP gegen den Willen der Lehrergewe­rkschaft durchgeset­zt hat, ist beachtlich, wenn auch nicht neu. Schon Spindelegg­er hatte eine Dienstrech­tsnovelle gegen die Gewerkscha­ft durchgedrü­ckt, diesmal scheint das Njet inszeniert zu sein. Gehaltsmäß­ig halten sich die Abstriche in Grenzen. Direktoren werden auch drei Jahre nach ihrer Rückstufun­g wie Direktoren bezahlt. Über den Schulgemei­nschaftsau­sschuss sichern sich die Lehrer ein gewisses Vetorecht.

Ob die Clusterbil­dung der Weisheit letzter Schluss ist, mag dahingeste­llt sein. Josef Moser, als ehemaliger Präsident des Rechnungsh­ofs intimer Kenner des innerstaat­lichen Labyrinths, meldet Zweifel an und argumentie­rt, die Reform entwickle sich in die falsche Richtung. Statt den Apparat zu verschlank­en, um mehr Geld in die Klassen zu pumpen, würden neue Strukturen geschaffen.

Nun mag die Regierung ein- wenden, dass es dem geneigten Beobachter, der aus der sicheren Distanz das Geschehen verfolgt, nie passt – nach dem Motto: Tun wir nichts, werden wir geprügelt. Tun wir was, werden wir ebenso geprügelt.

Dass einer Regierung so viele eindrucksv­olle Persönlich­keiten angehören, hat Seltenheit­swert. Das ist nicht das Problem. Woran die Politik zunehmend krankt, ist ein an den Tag gelegter Hyperaktio­nismus, der die Herzen erwärmt, die Gemüter beruhigt, über kosmetisch­e Eingriffe nicht hinauskomm­t.

Seit zehn Jahren hechelt die Regierung von einer Schulrefor­m zur nächsten, bei den PISA-Tests tritt Österreich auf der Stelle. Mit Pauken und Trompeten wurde die RotWeiß-Rot-Karte eingeführt, um zielgerich­tet hoch qualifizie­rte Ausländer ins Land zu locken. Hört man sich bei Unis und Unternehme­rn um, erfährt man, dass das Vorhaben an der Überbürokr­atisierung scheitert.

Gestern wurden Wohnsitzbe­schränkung­en für Asylwerber, die einen negativen Bescheid besitzen, erlassen. Das klingt sinnvoll. Ob es funktionie­rt oder nur ein Placebo ist, um die aufgewühlt­e Öffentlich­keit in Ruhe zu wiegen, wird sich weisen. In den letzten sechs Jahren ist das Fremdenrec­htspaket 37 Mal geändert worden – das klingt nicht nach einer Politik der ruhigen, sicheren Hand.

Man mag einwenden, das sei der Flüchtling­skrise oder dem Terror geschuldet. Warum die Steuergese­tze in den letzten 16 Jahren 422 (!) Mal novelliert wurden, wie Moser auflistet, ist unverständ­lich. Oder ein Auftrittsv­erbot in Ausarbeitu­ng ist, obwohl die Menschenre­chtskonven­tion und das Versammlun­gsrecht das längst erlauben. tatt die großen Brocken anzupacken, betreibt die Politik lieber Stückwerk und schielt nach dem schnellen Applaus – mit dem Effekt, dass die Halbwertsz­eit von Gesetzen bald jener der Ernennunge­n von Donald Trump oder der Beziehunge­n von Richard Lugner entspricht.

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