Aktionistischer Leerlauf
Woran die Politik zunehmend krankt, ist ein Hyperaktionismus, der die Herzen erwärmt, die Gemüter beruhigt, aber über kosmetische Eingriffe nicht hinauskommt.
Durchbruch bei der Schulautonomie, Einigung beim Fremdenrechtspaket, Fortschritt bei der Familienbeihilfe – Bürgerherz, was willst du mehr?
Dass sich die ÖVP gegen den Willen der Lehrergewerkschaft durchgesetzt hat, ist beachtlich, wenn auch nicht neu. Schon Spindelegger hatte eine Dienstrechtsnovelle gegen die Gewerkschaft durchgedrückt, diesmal scheint das Njet inszeniert zu sein. Gehaltsmäßig halten sich die Abstriche in Grenzen. Direktoren werden auch drei Jahre nach ihrer Rückstufung wie Direktoren bezahlt. Über den Schulgemeinschaftsausschuss sichern sich die Lehrer ein gewisses Vetorecht.
Ob die Clusterbildung der Weisheit letzter Schluss ist, mag dahingestellt sein. Josef Moser, als ehemaliger Präsident des Rechnungshofs intimer Kenner des innerstaatlichen Labyrinths, meldet Zweifel an und argumentiert, die Reform entwickle sich in die falsche Richtung. Statt den Apparat zu verschlanken, um mehr Geld in die Klassen zu pumpen, würden neue Strukturen geschaffen.
Nun mag die Regierung ein- wenden, dass es dem geneigten Beobachter, der aus der sicheren Distanz das Geschehen verfolgt, nie passt – nach dem Motto: Tun wir nichts, werden wir geprügelt. Tun wir was, werden wir ebenso geprügelt.
Dass einer Regierung so viele eindrucksvolle Persönlichkeiten angehören, hat Seltenheitswert. Das ist nicht das Problem. Woran die Politik zunehmend krankt, ist ein an den Tag gelegter Hyperaktionismus, der die Herzen erwärmt, die Gemüter beruhigt, über kosmetische Eingriffe nicht hinauskommt.
Seit zehn Jahren hechelt die Regierung von einer Schulreform zur nächsten, bei den PISA-Tests tritt Österreich auf der Stelle. Mit Pauken und Trompeten wurde die RotWeiß-Rot-Karte eingeführt, um zielgerichtet hoch qualifizierte Ausländer ins Land zu locken. Hört man sich bei Unis und Unternehmern um, erfährt man, dass das Vorhaben an der Überbürokratisierung scheitert.
Gestern wurden Wohnsitzbeschränkungen für Asylwerber, die einen negativen Bescheid besitzen, erlassen. Das klingt sinnvoll. Ob es funktioniert oder nur ein Placebo ist, um die aufgewühlte Öffentlichkeit in Ruhe zu wiegen, wird sich weisen. In den letzten sechs Jahren ist das Fremdenrechtspaket 37 Mal geändert worden – das klingt nicht nach einer Politik der ruhigen, sicheren Hand.
Man mag einwenden, das sei der Flüchtlingskrise oder dem Terror geschuldet. Warum die Steuergesetze in den letzten 16 Jahren 422 (!) Mal novelliert wurden, wie Moser auflistet, ist unverständlich. Oder ein Auftrittsverbot in Ausarbeitung ist, obwohl die Menschenrechtskonvention und das Versammlungsrecht das längst erlauben. tatt die großen Brocken anzupacken, betreibt die Politik lieber Stückwerk und schielt nach dem schnellen Applaus – mit dem Effekt, dass die Halbwertszeit von Gesetzen bald jener der Ernennungen von Donald Trump oder der Beziehungen von Richard Lugner entspricht.
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