Das Paradies kann höllisch sein
Felix Mitterer nimmt eine historisch belegte Aussteigergeschichte als Vorlage für ein neues Stück. Die Uraufführung in der Wiener Josefstadt fand regen Beifall.
Früher hatten nur Strafgefangene und Piraten die Galápagos-Insel Floreana bevölkert. Als 1929 der Berliner Zahnarzt Friedrich Ritter und seine Jüngerin und Geliebte Dore Strauch landen, ist das 173 Quadratkilometer kleine Eiland menschenleer.
Ritter, der sich für das Überleben in der Wildnis ein Stahlgebiss hatte einpflanzen lassen, will hier sein großes philosophisches Werk vollenden. Er ist Vegetarier und Esoteriker mit faschistischen Untertönen, irgendwo in einer Gedankenwelt zwischen Rudolf Steiner und Ernst Jünger angesiedelt. Angeekelt von den Menschen allgemein und der Wirtschaftskrise im Besonderen, sucht er sein Heil in der Einsamkeit.
und wohl auch, um Geld zu horten, beschreibt er das Inselabenteuer in der internationalen Presse und wird so zum Sehnsuchtsidol europäischer Zivilisationsflüchtlinge. Und einige von ihnen schaffen es tatsächlich bis Floreana. Als Erste treffen die kreuzbraven Wittmers aus Köln ein, die mit unerbittlichem Frohsinn ausgestattet sind. Kurz darauf kommt eine Österreicherin namens Eloise de Bousquet, eine angebliche Baronesse, mit zwei Liebhabern im Schlepptau. Ihre hochfahrenden Touristikpläne und ihre sexuellen Eskapaden beschädigen den Inselfrieden nachhaltig. Am Schluss gibt es Verschwundene und Tote.
Soweit die historischen Fakten, an die sich der Autor Felix Mitterer ziemlich eng hält. Mit dem „Fall Jägerstätter“oder dem „Boxer“, ebenfalls von Stephanie Mohr in der Josefstadt inszeniert und uraufgeführt, hat sich Mitterer als Spezialist für die Bearbeitung zeithistorischer Themen erwiesen.
Sein neuestes Opus ist stark vom Narrativ geprägt. Und so wird das historische Ende an den Beginn gestellt. Ein ecuadorianischer Kommissar verhört im Jahr 1934 die Überlebenden der sogenannten Galápagos-Affäre. Das ermöglicht eine Menge Rückblenden, die Mohr teils dramatisch, teils witzig inszeniert. Unterstützt werden sie von thematisch passenden Rollenbildern (Bühne: Miriam Busch). Dennoch bleibt der knapp zweistündige Abend ein wenig flach.
leisten allesamt Akzeptables, einzig Ruth Brauer-Kvam bringt als erotischer Freak ordentliche Turbulenzen auf die Bühne, es ist eine Freude, ihr zuzuschauen.
Gelobt sei einmal mehr der Umstand, dass Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger nicht müde wird, verdiente heimische Autoren immer wieder zu neuen Stücken zu animieren. Diesmal wurde das mit kräftigem Applaus belohnt.
PS.: Floreana zählt heute 100 Einwohner, einige davon sind Nachfahren der Wittmers.