Kleine Zeitung Kaernten

Gerade im Bereich der Mathematik dürfen wir den Anschluss an aufstreben­de, innovative Nationen nicht verlieren. Aber wir müssen auch den Unterschie­d zwischen Rechnen und Mathematik berücksich­tigen.

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Es wäre schlimm, die Wortmeldun­g von Julian Schmid in Bausch und Bogen zu verdammen. Sicher, Mathematik allein „angesichts der vielen Fünfer“als Pflichtfac­h bei der Matura abwählen zu können, ist keine stichhalti­ge Begründung. Aber selbst wenn Julian Schmids Vorschlag bei vielen Kopfschütt­eln hervorruft, darüber nachdenken lohnt allemal. Zumal er damit recht hat, dass es mit der Mathematik in der Schule nicht rundläuft, wenn wir „die höchsten Nachhilfe-Ausgaben in Mathematik“haben.

Einigkeit sollte darüber herrschen, dass ein Abschaffen der Mathematik als Prüfungsge­genstand – und nur als solcher wird er von den Schülern ernst genommen – unverantwo­rtlich wäre: Der Wohlstand einer modernen Industrieg­esellschaf­t fußt auf Innovation­en, die auf Technik und damit auf Mathematik gründen. China und andere aufstreben­de Nationen des Fernen Ostens wissen das und setzen massiv auf mathematis­che Bildung der kommenden Generation. Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren, will unsere Gesellscha­ft nicht verarmen.

Aber wir müssen zwischen Rechnen und Mathematik unterschei­den: Rechnen betrifft das Beherrsche­n einfacher Schemata, vom 1 × 1 bis hin zur Prozentrec­hnung, zum Zinseszins, zu anschaulic­her Geometrie, zur basalen Statistik. Es erfordert kaum gedanklich­e Akrobatik, aber man braucht viel Übung, um es „in Fleisch und Blut“übergehen zu lassen. Es ist zugegeben nicht „sexy“, aber wichtig und überdies mit Tests überprüfba­r. Julian Schmid hat recht: Würden dafür Eltern Unsummen an Nachhilfe bezahlen, hätte Schule versagt. Und er hat recht, dass bei den Tests das Bestehen selbstvers­tändlich sein sollte. Dies gelingt dann, wenn die Testaufgab­en nicht ausgefuchs­t, sondern klar formuliert sind – am besten in Zusammenar­beit mit in Wirtschaft und Forschung tätigen Personen, die in naher Zukunft mit den Absolvente­n zu tun haben werden.

Mathematik selbst geht darüber hinaus. Rechnen ist wie das Anmalen eines Gartenzaun­s, Mathematik hingegen wie ein Bild von Chagall. Das muss man nicht malen können, aber zumindest bewundernd betrachten. Und zwischen Rechnen und Mathematik erstreckt sich eine breite Palette, die den Unterricht bereichern könnte und müsste. Um bei allen ein Verständni­s für Mathematik und je nach Begabung Anreize zur intensiven Beschäftig­ung zu wecken. Natürlich soll man auch hier prüfen. Aber Tests sind dafür schlecht geeignet. Hier sollen fachlich exzellente und pädagogisc­h einfühlsam­e Lehrer individuel­l beurteilen. Und es stimmt: Beim Lehramt gilt es nachzubess­ern.

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