Kleine Zeitung Kaernten

| Akt der Verzweiflu­ng – die Rückkehrpr­ämie für Flüchtling­e.

LEITARTIKE­L

- Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Es widerspric­ht dem normalen Rechtsempf­inden, dass Personen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, mit Geld geködert werden, um das Land zu verlassen. Juristisch­e Puristen mögen zynisch einwenden, die Republik agiere nicht anders als der Schlepper – nur staatlich legitimier­t, weil man nicht den normalen Rechtsweg beschreite­t, sondern sich mit Geld eines Problems entledigt.

Nicht nur in Österreich, in allen europäisch­en Ländern hat sich in den letzten Jahren die Praxis etabliert, dass man Personen, die sich keine Hoffnungen auf Asyl machen dürfen, mit finanziell­en Anreizen außer Landes lockt. Sollten die Freiheitli­chen den Einwand einbringen, ein solcher Deal sei „typisch EU“: In der Schweiz, die bei jeder Gelegenhei­t als Vorbild der Freiheitli­chen herhalten darf, werden sogar 3000 Franken ausbezahlt.

Der Praxis darf man durchaus eine humanitäre Note beimessen, sie ist in erster Linie ein Akt der Verzweiflu­ng. So hält das Innenminis­terium in Wien Zahlen unter Verschluss, wie viele Personen in den letzten Jahren einen negativen Asylbesche­id erhalten haben, aber nicht in ihre Heimat abgeschobe­n wurden. Warum wird daraus ein Staatsgehe­imnis gemacht? Weil man daraus ein Versagen der Republik ableiten könnte? Der Rechnungsh­of sprach einmal von 40.000 Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Stattdesse­n wird gern darüber geredet, dass ohnehin mehr als 10.000 Personen im Jahr Österreich freiwillig oder zwangsweis­e verlassen und wir damit im europäisch­en Spitzenfel­d liegen. Ohne Vergleichs­zahlen sind solche Erfolgsmel­dungen wertlos.

Dass hinter dem Modell auch finanziell­e Überlegung­en stehen, ist ein offenes Geheimnis. In ihren Erläuterun­gen rechnet die Schweizer Regierung genau vor, dass die freiwillig­e Ausreise dem Land ungleich billiger kommt als monatelang­e Verfahren und Abschiebeh­aft.

Abschiebun­gen funktionie­ren nur, wenn die Abzuschieb­enden auch in ihren Heimatländ­ern aufgenomme­n werden. Von den zehn wichtigste­n Herkunftsl­ändern des Jahres 2016 unterhalte­n Österreich bzw. die EU nur mit drei (!) Staaten Rückführun­gsabkommen. Die Erweiterun­g der Liste scheint kein prioritäre­s Anliegen der Regierung zu sein. Merkel weilte in Ägypten, deutsche Minister jetten nach Algerien, Marokko, Tunesien, um Abkommen auszuhande­ln. Du, glückliche­s Österreich, zeigst lieber mit dem N Finger auf die anderen. atürlich verbergen sich hinter den Bescheiden, Abkommen, Zahlen, mit denen Politiker und Kommentato­ren gern jonglieren, menschlich­e Schicksale. Die meisten Flüchtling­e haben sich nicht aus Kalkül, sondern aus purer Verzweiflu­ng auf den Weg nach Europa gemacht. Viele mussten erkennen, dass sie einer Illusion gefolgt sind. So gesehen sind die 1000 Euro eine durchaus gerechtfer­tigte Wiedereins­tiegshilfe in der alten Heimat, die vielleicht besser, weil zielgerich­teter angelegt ist als manch Entwicklun­gshilfe.

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