| Akt der Verzweiflung – die Rückkehrprämie für Flüchtlinge.
LEITARTIKEL
Es widerspricht dem normalen Rechtsempfinden, dass Personen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, mit Geld geködert werden, um das Land zu verlassen. Juristische Puristen mögen zynisch einwenden, die Republik agiere nicht anders als der Schlepper – nur staatlich legitimiert, weil man nicht den normalen Rechtsweg beschreitet, sondern sich mit Geld eines Problems entledigt.
Nicht nur in Österreich, in allen europäischen Ländern hat sich in den letzten Jahren die Praxis etabliert, dass man Personen, die sich keine Hoffnungen auf Asyl machen dürfen, mit finanziellen Anreizen außer Landes lockt. Sollten die Freiheitlichen den Einwand einbringen, ein solcher Deal sei „typisch EU“: In der Schweiz, die bei jeder Gelegenheit als Vorbild der Freiheitlichen herhalten darf, werden sogar 3000 Franken ausbezahlt.
Der Praxis darf man durchaus eine humanitäre Note beimessen, sie ist in erster Linie ein Akt der Verzweiflung. So hält das Innenministerium in Wien Zahlen unter Verschluss, wie viele Personen in den letzten Jahren einen negativen Asylbescheid erhalten haben, aber nicht in ihre Heimat abgeschoben wurden. Warum wird daraus ein Staatsgeheimnis gemacht? Weil man daraus ein Versagen der Republik ableiten könnte? Der Rechnungshof sprach einmal von 40.000 Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Stattdessen wird gern darüber geredet, dass ohnehin mehr als 10.000 Personen im Jahr Österreich freiwillig oder zwangsweise verlassen und wir damit im europäischen Spitzenfeld liegen. Ohne Vergleichszahlen sind solche Erfolgsmeldungen wertlos.
Dass hinter dem Modell auch finanzielle Überlegungen stehen, ist ein offenes Geheimnis. In ihren Erläuterungen rechnet die Schweizer Regierung genau vor, dass die freiwillige Ausreise dem Land ungleich billiger kommt als monatelange Verfahren und Abschiebehaft.
Abschiebungen funktionieren nur, wenn die Abzuschiebenden auch in ihren Heimatländern aufgenommen werden. Von den zehn wichtigsten Herkunftsländern des Jahres 2016 unterhalten Österreich bzw. die EU nur mit drei (!) Staaten Rückführungsabkommen. Die Erweiterung der Liste scheint kein prioritäres Anliegen der Regierung zu sein. Merkel weilte in Ägypten, deutsche Minister jetten nach Algerien, Marokko, Tunesien, um Abkommen auszuhandeln. Du, glückliches Österreich, zeigst lieber mit dem N Finger auf die anderen. atürlich verbergen sich hinter den Bescheiden, Abkommen, Zahlen, mit denen Politiker und Kommentatoren gern jonglieren, menschliche Schicksale. Die meisten Flüchtlinge haben sich nicht aus Kalkül, sondern aus purer Verzweiflung auf den Weg nach Europa gemacht. Viele mussten erkennen, dass sie einer Illusion gefolgt sind. So gesehen sind die 1000 Euro eine durchaus gerechtfertigte Wiedereinstiegshilfe in der alten Heimat, die vielleicht besser, weil zielgerichteter angelegt ist als manch Entwicklungshilfe.