Gnadenloser Meister der Verstörung
Unermüdlich: Filmemacher Michael Haneke wird heute 75 Jahre alt.
Ein Film, sagte Michael Haneke einmal zur Kleinen Zeitung, solle eine Sprungschanze sein. „Springen muss der Zuschauer. Freilich muss die Konstruktion der Schanze stimmen, sonst fällt der Springer vorn runter.“Und: „Der Absturz hieße: Langeweile.“
Keine Sorge: Für konstante Ruhepuls-Tiefstwerte sind Hanekes Filme nicht berühmt. Seine Werke und sein kompromissloser Blick auf seine unzugänglichen Figuren irritieren, verstören, sie quälen und beunruhigen zutiefst. „Funny Games“(1997) zum Beispiel erzählt von der brutalen Auslöschung einer Familie. „Die Klavierspielerin“(2001) nach einem Roman von Elfriede Jelinek schildert in beklemmenden Bildern eine terroristische MutterTochter-Beziehung der Bourgeoisie. Und „Das weiße Band“(2009) ist eine beängstigende Folterballade vor dem Ersten Weltkrieg. Hanekes Filme erzählen von Selbstzerstörung, Angst, Aggression oder Gewalt als Wesenszug, wobei es nie um die moralisierende Bekämpfung des Bösen geht. Schon seinen Kinoauftakt nannte er Ende der 80er „Trilogie der emotionalen Vereisung“.
A ls Filmemacher ist Haneke, der 1942 in München geboren wurde und in Wiener Neustadt aufwuchs, ein Spätberufener. Einer, der sich aber konsequent dem Voyeurismus seines Publikums und den Wünschen des Marktes entzieht. „Amour“(2012) brachte ihm zig Preise, darunter den Auslandsoscar ein. Es war sein erfolgreichster und zugleich sein zärtlichster Film. Die neue Arbeit des Regie-Professors heißt „Happy End“, und es darf erwartet werden, dass sie in Cannes im Mai uraufgeführt wird. Dass es in der Familienaufstellung in Calais nicht nur heiter zugeht, versteht sich von selbst.