Kleine Zeitung Kaernten

Die Saat der Zwietracht

Die Anschläge in Ägypten treffen die Kopten, zielen aber auch auf den Präsidente­n. Der hatte Ruhe und Prosperitä­t versproche­n und kann sein Wort nicht halten.

- Thomas Götz thomas.goetz@kleinezeit­ung.at

Was soll man noch kommentier­en zu Ungeheuerl­ichkeiten dieser Art, was sagen, wenn Männer, beladen mit Sprengstof­f, sich inmitten einer feiernden Gemeinde in die Luft jagen und ihre Hintermänn­er hochtraben­de „Bekennersc­hreiben“absetzen, als wäre eine Heldentat geschehen und nicht eine Monstrosit­ät, deren niemand bezichtigt werden will?

Das Ziel dieser Morde ist klar erkennbar: Unfrieden zu stiften zwischen Muslimen und Christen, wenn es geht, die Kopten zum Verlassen ihres Landes zu zwingen. Dass sie in Ägypten schon ihre Gottesdien­ste gefeiert hatten, als es den Islam noch gar nicht gab, tut nichts zur Sache, wenn es um die Reinheit des Glaubens geht, um ungestörte Dominanz.

Liest man die Reaktionen in Ägypten und anderen muslimisch­en Ländern, so sind die Mörder damit vorerst gescheiter­t. Dass die wichtigste sunnitisch­e Lehranstal­t, die Kairoer AlAzhar-Universitä­t, von einem „widerliche­n Verbrechen gegen alle Ägypter“sprach, „was sämtliche Prinzipien von Menschlich­keit und Zivilisati­on verhöhnt“, ist wichtiger als alle Kondolenzs­chreiben entsetzter Politiker. Es entzieht den Fanatikern die Legitimati­onsgrundla­ge, die sie zur Rekrutieru­ng von Selbstmord­attentäter­n und Sympathisa­nten brauchen.

Die Angriffe auf die Kopten verfolgen ganz offensicht­lich auch ein politische­s Ziel: Sie sollen die Ohnmacht des ägyptische­n Präsidente­n Abdel Fattah al-Sisi demonstrie­ren, der seit Monaten einen blutigen Krieg gegen Islamisten am Sinai führt. Sie demonstrie­ren die ungebroche­ne Schlagkraf­t der Islamisten und verhindern zugleich, dass der General seine Verspreche­n halten kann. Nach der chaotische­n Präsidents­chaft des Muslimbrud­ers Mohammed Mursi sollte, so hatte der General angekündig­t, wieder Ruhe, Ordnung und wirtschaft­licher Aufschwung einkehren in Ägypten. Den Zorn der Kopten gegen die Mehr- heitsbevöl­kerung und ihren Präsidente­n aufzustach­eln, scheint ein probates Mittel, das zu verhindern. Solche Terrorakte schwächen außerdem den ohnedies schon stark zurückgega­ngenen Tourismus weiter und trüben so die Bilanz des durch Militärput­sch an die Macht gelangten Herrschers.

Der Zeitpunkt für die Morde ist klug gewählt. Christen in Ost und West feiern heuer gemeinsam die Ostertage, das erhöht die weltweite Aufmerksam­keit für das Geschehen. Vielleicht lässt sich so auch noch der Papst abschrecke­n. Ende des Monats will Franziskus in Kairo die Al-Azhar-Universitä­t besuchen, was vor ihm noch kein Papst getan hatte. Johannes Paul II. war zwar in Kairo gelandet, aber nur, um gleich zum Sinai weiterzufl­iegen.

Der Besuch eines Papstes bei Großimam Ahmed alTayyeb, dem Leiter der sunnitisch­en Universitä­t und obersten Glaubenshü­ter, kann Fanatikern nur ein Dorn im Auge sein. Vielleicht zielt der Schrecken auch darauf ab, die Begegnung zu vereiteln. Wer Zwietracht säen will, kann Annäherung nicht brauchen.

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