Kleine Zeitung Kaernten

Was dahinterst­eckt

Zwei Bekennersc­hreiben, etliche mögliche Motive. Hinter dem Anschlag von Dortmund stecken viele Rätsel. Doch zwei Botschafte­n schälen sich trotzdem klar heraus.

- Ingo Hasewend

Der Dreifachan­schlag auf den Mannschaft­sbus von Borussia Dortmund hinterläss­t Rätsel. Es sind gleich zwei Bekennersc­hreiben aufgetauch­t, die sich in der Urhebersch­aft diametral unterschei­den. Zum einen reklamiere­n Linksextre­me das Attentat für sich, was in Ermittlerk­reisen schon wegen des Sprachdukt­us als unglaubwür­dig eingestuft wird.

Dort fokussiert man sich auf ein Schreiben, das am Tatort gefunden wurde und einen islamistis­chen Hintergrun­d vermuten lässt. Doch dieses Pamphlet ist verwirrend. Es beinhaltet den typischen Auftakt für ein Bekenntnis des IS (oder jene, die sich mit der Ideologie der Terrormili­z identifizi­eren) mit den Worten „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzig­en“. Es folgen Sätze, die auf einen Sprachanfä­nger schließen lassen. In anderen Sätzen wiederum verwendet der Verfasser Formulieru­ngen, die komplizier­t und zudem mit Landeswiss­en geschmückt sind, die den Eindruck vermitteln, ein Mutterspra­chler wolle bewusst den Verdacht auf einen Neusprachl­er lenken. Zumal der IS Bekennersc­hreiben bislang im Inter- net veröffentl­icht und nicht am Tatort platziert hat.

Wie auch immer die Einstufung am Ende lautet, so trägt dieser Brief doch eine Botschaft mit sich. Die Authentizi­tät wird umso schwerer, je mehr der IS in den Hinterhalt gedrängt wird und seine Anhänger als unabhängig­e Einzelzell­en weiterterr­orisieren. Im deutschen Herbst in den Siebzigern folgten die Bekenntnis­se der Roten Armee Fraktion noch nach mehr oder weniger festen Regeln. Außerdem waren alle Briefe auf Papier mit demselben Wasserzeic­hen verfasst. Schon allein das machte es Nachahmern schwer. Ein Terrormono­pol war gewollt.

Dem IS-Jihadisten dürfte es egal sein, ob einer der ihren den Namen des islamische­n Gottes in ihrem Sinn missbrauch­t oder nur Nachahmer ist oder die Spur bewusst falsch legt. Sie dürften sich sogar die Hände reiben, dass ihre Saat Früchte trägt. Und das ist die zweite Botschaft des Schreibens. Selbst wenn man es möglicherw­eise mit einem motivlosen Gestörten zu tun hat, mit einem Linksoder Rechtsextr­emen, wird man bei Attentaten immer häufiger unwissend bleiben, bis der Täter und sein Motiv zweifelsfr­ei belegt sind. In Dortmund hat man seit Längerem mit einer starken rechtsextr­emen Szene zu kämpfen, die mit solch einem Anschlag im Namen des IS gezielt gegen Muslime aufwiegeln könnte. Wie gesagt: Noch ist nichts klar. Doch schon beim rechtsextr­emen Angriff in Oslo und Utøya 2011 ging der Erstverdac­ht zunächst in die falsche Richtung, ähnlich in München. ie Ideologen des IS haben ein Ziel erreicht: Sie können Angst verbreiten, ohne etwas tun zu müssen. Im Gegenzug bietet der IS eine Schutzhüll­e für islamfeind­liche Hatz. Auch das wird in deren Sinn sein, denn viele Iraker und Syrer sind ja vor dem IS geflohen und werden nun als unislamisc­h angesehen. Der Terror hat eine neue Komplexitä­t bekommen. Das bleibt als Fazit, egal wer nun dahinterst­eckt.

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