Was dahintersteckt
Zwei Bekennerschreiben, etliche mögliche Motive. Hinter dem Anschlag von Dortmund stecken viele Rätsel. Doch zwei Botschaften schälen sich trotzdem klar heraus.
Der Dreifachanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund hinterlässt Rätsel. Es sind gleich zwei Bekennerschreiben aufgetaucht, die sich in der Urheberschaft diametral unterscheiden. Zum einen reklamieren Linksextreme das Attentat für sich, was in Ermittlerkreisen schon wegen des Sprachduktus als unglaubwürdig eingestuft wird.
Dort fokussiert man sich auf ein Schreiben, das am Tatort gefunden wurde und einen islamistischen Hintergrund vermuten lässt. Doch dieses Pamphlet ist verwirrend. Es beinhaltet den typischen Auftakt für ein Bekenntnis des IS (oder jene, die sich mit der Ideologie der Terrormiliz identifizieren) mit den Worten „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen“. Es folgen Sätze, die auf einen Sprachanfänger schließen lassen. In anderen Sätzen wiederum verwendet der Verfasser Formulierungen, die kompliziert und zudem mit Landeswissen geschmückt sind, die den Eindruck vermitteln, ein Muttersprachler wolle bewusst den Verdacht auf einen Neusprachler lenken. Zumal der IS Bekennerschreiben bislang im Inter- net veröffentlicht und nicht am Tatort platziert hat.
Wie auch immer die Einstufung am Ende lautet, so trägt dieser Brief doch eine Botschaft mit sich. Die Authentizität wird umso schwerer, je mehr der IS in den Hinterhalt gedrängt wird und seine Anhänger als unabhängige Einzelzellen weiterterrorisieren. Im deutschen Herbst in den Siebzigern folgten die Bekenntnisse der Roten Armee Fraktion noch nach mehr oder weniger festen Regeln. Außerdem waren alle Briefe auf Papier mit demselben Wasserzeichen verfasst. Schon allein das machte es Nachahmern schwer. Ein Terrormonopol war gewollt.
Dem IS-Jihadisten dürfte es egal sein, ob einer der ihren den Namen des islamischen Gottes in ihrem Sinn missbraucht oder nur Nachahmer ist oder die Spur bewusst falsch legt. Sie dürften sich sogar die Hände reiben, dass ihre Saat Früchte trägt. Und das ist die zweite Botschaft des Schreibens. Selbst wenn man es möglicherweise mit einem motivlosen Gestörten zu tun hat, mit einem Linksoder Rechtsextremen, wird man bei Attentaten immer häufiger unwissend bleiben, bis der Täter und sein Motiv zweifelsfrei belegt sind. In Dortmund hat man seit Längerem mit einer starken rechtsextremen Szene zu kämpfen, die mit solch einem Anschlag im Namen des IS gezielt gegen Muslime aufwiegeln könnte. Wie gesagt: Noch ist nichts klar. Doch schon beim rechtsextremen Angriff in Oslo und Utøya 2011 ging der Erstverdacht zunächst in die falsche Richtung, ähnlich in München. ie Ideologen des IS haben ein Ziel erreicht: Sie können Angst verbreiten, ohne etwas tun zu müssen. Im Gegenzug bietet der IS eine Schutzhülle für islamfeindliche Hatz. Auch das wird in deren Sinn sein, denn viele Iraker und Syrer sind ja vor dem IS geflohen und werden nun als unislamisch angesehen. Der Terror hat eine neue Komplexität bekommen. Das bleibt als Fazit, egal wer nun dahintersteckt.
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