„Leistungsniveau an den Schulen ist gesunken“
Herbert Molzbichler (58) unterrichtet seit 36 Jahren. Jetzt hat der Lehrer ein Buch geschrieben, in dem er mit dem Bildungssystem abrechnet.
Sie stehen seit Jahrzehnten in der Klasse. Was hat sich in all dieser Zeit verändert?
HERBERT MOLZBICHLER: Alle schulpolitischen Maßnahmen in den letzten 30, 40 Jahren haben das Leistungsniveau und den Leistungsanspruch sinken lassen. Man hört das auch vom Lehrherrn bis zum Universitätsprofessor. Zu ihnen kom- Menschen, die nicht auf dem gewünschten Level sind.
Was kann getan werden, um das Niveau wieder zu heben?
Wir müssen den Leistungsgedanken wieder in den Vordergrund rücken. Ganz wichtig ist mir die ganzheitliche Menschenbildung: Herz, Hand, Gehirn und Gewissen. Wir bräuch- ten dafür einen Bildungskonsens, an dem alle gesellschaftlichen Kräfte mitarbeiten. Die Parteipolitik muss hintangestellt werden.
Sie unterrichten selbst an einer Neuen Mittelschule (NMS). Was halten Sie von diesem Schultyp?
Die NMS wurde ohne sinnvolles und durchdachtes Konzept eingeführt. Die ersten Neuen Mittelschulen haben sich dennoch mit viel Idealismus auf den Weg gemacht. Dann hat die Politik die NMS aus meiner Sicht aber schnell wieder sterben lassen. Es wurden ihr immer mehr Dinge aufgepfropft. Viele Eltern sehen das und wollen ihre Kinder unbedingt in die AHS-Unterstufe bringen. Deswegen gibt es auch den großen Druck auf die Volksschulmen lehrer, damit die Schüler von ihnen gute Noten bekommen.
Der Druck auf die Kinder scheint auch immer früher immer größer zu werden.
Davor warne ich. Immer früher,
immer früher, immer mehr: Das ist nicht zielführend. Auch in der Volksschule. Es bringt nichts, dort Tablets einzuführen. Zuerst müssen die Kulturtechniken, Bewegung, Kreativität gefördert werden. Dafür müssen die Volksschulen personell aufgestockt werden; damit die Kinder individuell gefördert werden können.
Dazu wird es mehr Geld brauchen.
Es fließen Millionen in Testungen wie PISA. Das Geld könnte man woanders besser ausgeben. Für mehr Sozialarbeiter, Psychologen, Logopäden an den Schulen. Auch zeitgemäße Gebäude müssten gebaut werden.
Wenn das System so mangelhaft ist, wie können Lehrer dann noch gut unterrichten?
Es gibt trotz aller Probleme Lehrer, die sehr engagiert sind. Ihnen möchte ich mit meinem Buch Mut machen. Damit sie sich kritisch einbringen und mit der Situation nicht abfinden.