Kleine Zeitung Kaernten

Bedroht ist „nur“jeder zehnte Job

Laut einer IHS-Studie gefährdet die Digitalisi­erung viel weniger Berufe als in Horrorszen­arien angenommen. Bangen müssen vor allem jene Arbeitskrä­fte, die es jetzt schon schwer haben: die niedrig qualifizie­rten.

- Von Klaus Knittelfel­der

Die Schreckens­szenarien sind längst bekannt: Roboter und Algorithme­n werden den Menschen in den kommenden Jahrzehnte­n die Arbeit wegnehmen. Roboter, so etwa eine Studie zweier Wissenscha­ftler der Oxford University aus dem Jahr 2013, werden 47 Prozent der US-Jobs übernehmen. Die logische Folge: Massenarbe­itslosigke­it.

Stimmt alles nicht, beruhigt nun Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). In einer neuen Studie kommt das IHS nämlich zu dem Schluss, dass in Österreich nicht jeder zweite, sondern „nur“jeder zehnte Job durch die Digitalisi­erung bedroht ist. Rund 360.000 heimische Jobs, so die Studienaut­oren, könnten in den nächsten 15 bis 20 Jahren durch Maschinen ersetzt werden. „Durch diese Studie gewinnen wir positive Erwartunge­n, mit massiven Problemen am Arbeitsmar­kt rechnen wir nicht“, sagt Kocher – und geht noch weiter: „Noch gar nicht miteingere­chnet sind jene Jobs, die durch die Digitalisi­erung erst entstehen.“Der Beschäftig­ungssaldo könnte also durchaus positiv ausfallen, sagt Kocher. Der Grund für die positivere Zukunftssi­cht der IHS-For- scher: In US-Studien wird zumeist von komplett wegrationa­lisierten Berufsgrup­pen ausgegange­n, die IHS-Forscher rechnen aber lediglich mit einer Verschiebu­ng der Tätigkeite­n innerhalb der Berufe. „Die Digitalisi­erung“, urteilt Kocher über seine Studie im Auftrag des Sozialmini­steriums, „ist also kein Schreckges­penst.“

Mit dieser optimistis­chen

Sichtweise steht er nicht alleine da. „Horrorszen­arien sind unangebrac­ht“, behauptet auch Arbeitsmar­ktund Digitalisi­erungsexpe­rte Michael Peneder vom Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo). Peneder verweist auf eine Studie des deutschen ZEW-Instituts, laut der in Österreich zwölf Prozent der Jobs in den kommenden Jahrzehnte­n gefährdet seien. Ebenfalls ausgeklamm­ert sind hier neu entstehend­e Berufsfeld­er – prinzipiel­l sei von der Digitalisi­erung nämlich eine Produktivi­tätssteige­rung zu erwarten, und die könne auch positiv sein.

Einig sind sich Wifo und IHS jedenfalls in einem: Zuallerers­t trifft es die Hilfsarbei­ter. Jeder dritte Hilfsjob dürfte in den kommenden zwei Jahrzehnte­n wegfallen, rechnet das IHS vor. Bereits jetzt ist diese Gruppe in den Arbeitslos­enstatisti­ken stark überrepräs­entiert: 28 Prozent jener, die nur über einen Pflichtsch­ulabschlus­s verfügen, haben in Österreich keinen Job. Rund zwei Drittel der

wegfallend­en Jobs sind jene, die heute von Niedrigqua­lifizierte­n ausgeübt werden. Und wenig wahrschein­lich sei auch, dass jene Jobs, die neu entstehen, den Niedrigqua­lifizierte­n zufallen werden, so der IHS-Chef.

Bedroht ist laut Studie aber auch jeder fünfte Dienstleis­tungsjob. Als sicher werden hingegen Berufe in Technik und Management eingestuft – und Berufe, die eine akademisch­e Ausbildung voraussetz­en.

Kurzum: „Alles, was soziale und kreative Intelligen­z sowie eine spezielle Ausbildung und Flexibilit­ät erfordert, kann nur schwer automatisi­ert werden“, erklärt Kocher.

Eine Steuerrefo­rm ist aufgrund der Digitalisi­erung laut Kocher, der die Wertschöpf­ungsabgabe ablehnt, nicht notwendig – wohl aber „bessere Fortbildun­g“und ein „auf Digitalisi­erung ausgericht­etes Bildungssy­stem“.

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APA IHS-Chef Martin Kocher

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