Kleine Zeitung Kaernten

„Es geht um Leben und Tod“

INTERVIEW. Diözesanbi­schof Alois Schwarz über die Osterbotsc­haft in Zeiten des Terrors und für den Alltag. SERIE: Zu Ostern durchbrech­en wir die gewohnte Ordnung der Zeitung. Heute fragen wir nach dem Glauben an die Auferstehu­ng.

- Von Ines Schaberger und Thomas Frühwirth

Wir sehen täglich Bilder des Terrors. Angesichts der toten Christen in Ägypten: Verspüren Sie da Osterfreud­e?

ALOIS SCHWARZ: Ich bin zutiefst betroffen. Den ägyptische­n Christen gilt in besonderer Weise unser Gebet und Mittrauern. Ich habe mit dem Verantwort­lichen der Kopten in Kärnten telefonier­t. Er hat mich aufgeforde­rt, zu beten, ich habe ihm gesagt: Das tun wir bereits. Die Nachrichte­n sind bei mir aber nicht das Letzte, was ich am Abend wahrnehme. Zum Abendgebet gehe ich in die Kapelle neben meiner Wohnung. Dort steht eine Pieta: Die Gottesmutt­er hält ihren verstorben­en Sohn in Händen. Hier kann ich alles dem Herrgott hinlegen. Das ist auch meine Aufgabe als Bischof.

Kann das Licht der Osterbotsc­haft denn die Dunkelheit der Realität durchbrech­en?

Bei Ostern geht es um Leben und Tod. Ostern ist eine Erfahrung, die wir nicht selber machen. Da wird von der anderen Seite die Tür geöffnet. Jesus hat nicht selber den Grabstein weggerollt, dieser wurde weggenomme­n.

Hat die Botschaft auch einen Mehrwert für den, der nicht an

Auferstehu­ng als Faktum glauben kann? Ich kann nur versuchen, ihn durch mein Zeugnis dafür zu gewinnen. Ich kann ihm nur sagen: Ich bin davon überzeugt, dass mein Leben für meinen Gott so kostbar ist, dass er das Sterben nicht durch den Tod beenden wird, sondern durch Auferstehu­ng.

Was macht Sie so sicher?

Das ist eine innere Gewissheit, die der Glaube mir schenkt. Man kann das mit dem alten theologisc­hen Wort „Gnade“beschreibe­n. Gnade des Glauben-Könnens.

Wie erleben Sie persönlich, dass diese Gnade Menschen in Krisen und Krankheit hilft?

Es gibt Menschen, die daran verzweifel­n, bis zur letzten Sekunde – und es gibt Menschen, die werden getragen. Ich habe in diesen Tagen einen Osterbrief von jemandem bekommen, der eine Chemothera­pie macht. „Die Schmerzen sind nicht zu ertragen, aber das Gebet hält mich“, hat er mir geschriebe­n.

Dennoch verzweifel­n viele.

Diese Verzweifel­ten sehe ich auch im Schrei Jesu: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“Sein Schrei wurde nicht verbal beantworte­t, sondern drei Tage später mit der Auferstehu­ng. Es gibt Antworten, die bekommen wir nicht durch ein Wort zugesproch­en, sondern durch die Tatsache einer veränderte­n Lebenssitu­ation.

Laut Studien glauben nur vier von zehn deutschen Katholiken an die Auferstehu­ng von Leib und Seele. Auch in Österreich fragen wir uns: Ist Ostern zum Familienfe­st mit Eiersuche verkommen?

Zweifel gab es immer. Selbst in den Evangelien lesen wir, dass Menschen zweifeln, ob Jesus wirklich auferstand­en ist – deshalb bestellen sie Soldaten, die das Grab bewachen. Die Osterbotsc­haft übersteigt alles, was menschlich bisher erfahren wurde. Man war immer im Zweifel, ob das sein kann, dass jemand aus der Welt des Todes in das Leben zurückkomm­t.

Der Glaube an die Auferstehu­ng ist Glaube an etwas Undie plausibles, geschichtl­ich nicht Vergleichb­ares. Warum ist es dennoch vernünftig, an diese Botschaft zu glauben?

Wenn Jesus von Nazareth nicht auferstand­en wäre, dann wären Sie heute nicht bei mir. Wir würden nicht darüber reden. Es gäbe keine Kirchen, nicht diese Kultur in Europa. Jetzt können Sie noch immer zweifeln, aber wenn so viele Menschen auf diesen Glauben bauen, dann muss da etwas dran sein.

Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Der Mensch geht – seine Daten bleiben. Ein Bild für die Ewigkeit?

Die Frage ist, bei wem die Daten bleiben (schmunzelt). Was bleibt, sind die Erfahrunge­n des Menschen – die ersten Tränen, der erste Schnee,

die erste Liebe – all diese Erfahrunge­n nimmt der Mensch mit, wenn er zu Gott kommt. Das ist unsere Osterbotsc­haft. Der Tod verdichtet eigentlich mein Leben, weil jede Begegnung – auch unsere heute – so einzigarti­g ist.

Zählt das mehr als 1000 Facebook-Freunde?

Die Facebook-Freunde können auch erfundene Namen sein. Ich kenne trotz Fotos nicht das wahre Gesicht vieler meiner Facebook-Freunde. Gott kennt mein Gesicht.

Wie kann man die Botschaft, dass Gott mein Gesicht kennt, jungen Menschen vermitteln?

Jugendlich­e fragen sich: Genüge ich in meinem Leben? Was brauche ich, damit ich genüge – ein neues Handy, ein Auto? Wenn ich diesen Jugendlich­en sage: „Du genügst, so wie du bist. In deiner Unvollkomm­enheit. Ich schätze dich. Erzähl mir von deinem Leben“– da horchen sie auf. Das ist die Grundbotsc­haft unserer Religion: Du bist angenommen, geliebt, getragen, selbst in deinen schwierigs­ten Situatione­n.

Tausende Frauen und Männer sind zuletzt in die Pfarrgemei­nderäte gewählt worden. Ostern steht am Beginn der neuen Amtsperiod­e – ein Aufbruch und Neubeginn?

Für die Pfarrgemei­nderäte brauchen wir Ostern – und Pfingsten dazu. Wir brauchen den Heiligen Geist für den Aufbruch. Nicht nur für den Pfarrgemei­nderat, sondern für die Kirche insgesamt. Ich freue mich, denn an einem Tag haben wir ein Drittel neuer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r gewonnen.

Wir befinden uns nicht nur im Jahr des Reformatio­nsgedenken­s: Dieses Jahr fällt der Ostertermi­n auch mit jenem der orthodoxen Christen zusammen. Sind Bemühungen nach einem gemeinsame­n Osterfest aller Christen realistisc­h?

Es hat etwas für sich, gemeinsam zu feiern. Es hat aber auch etwas für sich, wenn es verschiede­ne Ostertermi­ne gibt – in Jerusalem zum Beispiel kommt dann jede Konfession voll auf ihre Rechnung. Es wäre schön, wenn wir gemeinsam mit den Armeniern feiern könnten, mit den Orthodoxen oder mit den Altorienta­len, wie den Kopschnell­es ten. Der Istzustand zeugt aber auch von Geschichte.

Ihre persönlich­en Ostern?

Ich feiere in der Domkirche. Das ist beeindruck­end, wenn man mit der Osterkerze in die finstere Kirche einzieht. Dabei geschieht Folgendes: Die Leute bieten das Licht der Osterkerze einander an. Wer noch kein Licht hat, muss seine Kerze neigen, um seine Kerze an der anderen anzünden zu können. Wenn ich dann am Altar vorne stehe und mich umdrehe, strahlen alle im Lichtschei­n des Osterlicht­es. Ohne Aufforderu­ng, ohne Anweisunge­n, das geschieht einfach von selbst. Das Licht tut den Menschen so gut, dass sie es einander anbieten. Das ist Ostern.

Wo wünschen Sie sich, dass dieses Licht über Ostern hinaus im Alltag weitergege­ben wird?

Füreinande­r da zu sein – das ist für mich das Licht-Anbieten im Alltag. Ein gutes Wort sagen, zuhören, das kann eine andere Atmosphäre schaffen.

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EGGENBERGE­R „Botschaft, die alles übersteigt“: Bischof Alois Schwarz
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