„Es geht um Leben und Tod“
INTERVIEW. Diözesanbischof Alois Schwarz über die Osterbotschaft in Zeiten des Terrors und für den Alltag. SERIE: Zu Ostern durchbrechen wir die gewohnte Ordnung der Zeitung. Heute fragen wir nach dem Glauben an die Auferstehung.
Wir sehen täglich Bilder des Terrors. Angesichts der toten Christen in Ägypten: Verspüren Sie da Osterfreude?
ALOIS SCHWARZ: Ich bin zutiefst betroffen. Den ägyptischen Christen gilt in besonderer Weise unser Gebet und Mittrauern. Ich habe mit dem Verantwortlichen der Kopten in Kärnten telefoniert. Er hat mich aufgefordert, zu beten, ich habe ihm gesagt: Das tun wir bereits. Die Nachrichten sind bei mir aber nicht das Letzte, was ich am Abend wahrnehme. Zum Abendgebet gehe ich in die Kapelle neben meiner Wohnung. Dort steht eine Pieta: Die Gottesmutter hält ihren verstorbenen Sohn in Händen. Hier kann ich alles dem Herrgott hinlegen. Das ist auch meine Aufgabe als Bischof.
Kann das Licht der Osterbotschaft denn die Dunkelheit der Realität durchbrechen?
Bei Ostern geht es um Leben und Tod. Ostern ist eine Erfahrung, die wir nicht selber machen. Da wird von der anderen Seite die Tür geöffnet. Jesus hat nicht selber den Grabstein weggerollt, dieser wurde weggenommen.
Hat die Botschaft auch einen Mehrwert für den, der nicht an
Auferstehung als Faktum glauben kann? Ich kann nur versuchen, ihn durch mein Zeugnis dafür zu gewinnen. Ich kann ihm nur sagen: Ich bin davon überzeugt, dass mein Leben für meinen Gott so kostbar ist, dass er das Sterben nicht durch den Tod beenden wird, sondern durch Auferstehung.
Was macht Sie so sicher?
Das ist eine innere Gewissheit, die der Glaube mir schenkt. Man kann das mit dem alten theologischen Wort „Gnade“beschreiben. Gnade des Glauben-Könnens.
Wie erleben Sie persönlich, dass diese Gnade Menschen in Krisen und Krankheit hilft?
Es gibt Menschen, die daran verzweifeln, bis zur letzten Sekunde – und es gibt Menschen, die werden getragen. Ich habe in diesen Tagen einen Osterbrief von jemandem bekommen, der eine Chemotherapie macht. „Die Schmerzen sind nicht zu ertragen, aber das Gebet hält mich“, hat er mir geschrieben.
Dennoch verzweifeln viele.
Diese Verzweifelten sehe ich auch im Schrei Jesu: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“Sein Schrei wurde nicht verbal beantwortet, sondern drei Tage später mit der Auferstehung. Es gibt Antworten, die bekommen wir nicht durch ein Wort zugesprochen, sondern durch die Tatsache einer veränderten Lebenssituation.
Laut Studien glauben nur vier von zehn deutschen Katholiken an die Auferstehung von Leib und Seele. Auch in Österreich fragen wir uns: Ist Ostern zum Familienfest mit Eiersuche verkommen?
Zweifel gab es immer. Selbst in den Evangelien lesen wir, dass Menschen zweifeln, ob Jesus wirklich auferstanden ist – deshalb bestellen sie Soldaten, die das Grab bewachen. Die Osterbotschaft übersteigt alles, was menschlich bisher erfahren wurde. Man war immer im Zweifel, ob das sein kann, dass jemand aus der Welt des Todes in das Leben zurückkommt.
Der Glaube an die Auferstehung ist Glaube an etwas Undie plausibles, geschichtlich nicht Vergleichbares. Warum ist es dennoch vernünftig, an diese Botschaft zu glauben?
Wenn Jesus von Nazareth nicht auferstanden wäre, dann wären Sie heute nicht bei mir. Wir würden nicht darüber reden. Es gäbe keine Kirchen, nicht diese Kultur in Europa. Jetzt können Sie noch immer zweifeln, aber wenn so viele Menschen auf diesen Glauben bauen, dann muss da etwas dran sein.
Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Der Mensch geht – seine Daten bleiben. Ein Bild für die Ewigkeit?
Die Frage ist, bei wem die Daten bleiben (schmunzelt). Was bleibt, sind die Erfahrungen des Menschen – die ersten Tränen, der erste Schnee,
die erste Liebe – all diese Erfahrungen nimmt der Mensch mit, wenn er zu Gott kommt. Das ist unsere Osterbotschaft. Der Tod verdichtet eigentlich mein Leben, weil jede Begegnung – auch unsere heute – so einzigartig ist.
Zählt das mehr als 1000 Facebook-Freunde?
Die Facebook-Freunde können auch erfundene Namen sein. Ich kenne trotz Fotos nicht das wahre Gesicht vieler meiner Facebook-Freunde. Gott kennt mein Gesicht.
Wie kann man die Botschaft, dass Gott mein Gesicht kennt, jungen Menschen vermitteln?
Jugendliche fragen sich: Genüge ich in meinem Leben? Was brauche ich, damit ich genüge – ein neues Handy, ein Auto? Wenn ich diesen Jugendlichen sage: „Du genügst, so wie du bist. In deiner Unvollkommenheit. Ich schätze dich. Erzähl mir von deinem Leben“– da horchen sie auf. Das ist die Grundbotschaft unserer Religion: Du bist angenommen, geliebt, getragen, selbst in deinen schwierigsten Situationen.
Tausende Frauen und Männer sind zuletzt in die Pfarrgemeinderäte gewählt worden. Ostern steht am Beginn der neuen Amtsperiode – ein Aufbruch und Neubeginn?
Für die Pfarrgemeinderäte brauchen wir Ostern – und Pfingsten dazu. Wir brauchen den Heiligen Geist für den Aufbruch. Nicht nur für den Pfarrgemeinderat, sondern für die Kirche insgesamt. Ich freue mich, denn an einem Tag haben wir ein Drittel neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen.
Wir befinden uns nicht nur im Jahr des Reformationsgedenkens: Dieses Jahr fällt der Ostertermin auch mit jenem der orthodoxen Christen zusammen. Sind Bemühungen nach einem gemeinsamen Osterfest aller Christen realistisch?
Es hat etwas für sich, gemeinsam zu feiern. Es hat aber auch etwas für sich, wenn es verschiedene Ostertermine gibt – in Jerusalem zum Beispiel kommt dann jede Konfession voll auf ihre Rechnung. Es wäre schön, wenn wir gemeinsam mit den Armeniern feiern könnten, mit den Orthodoxen oder mit den Altorientalen, wie den Kopschnelles ten. Der Istzustand zeugt aber auch von Geschichte.
Ihre persönlichen Ostern?
Ich feiere in der Domkirche. Das ist beeindruckend, wenn man mit der Osterkerze in die finstere Kirche einzieht. Dabei geschieht Folgendes: Die Leute bieten das Licht der Osterkerze einander an. Wer noch kein Licht hat, muss seine Kerze neigen, um seine Kerze an der anderen anzünden zu können. Wenn ich dann am Altar vorne stehe und mich umdrehe, strahlen alle im Lichtschein des Osterlichtes. Ohne Aufforderung, ohne Anweisungen, das geschieht einfach von selbst. Das Licht tut den Menschen so gut, dass sie es einander anbieten. Das ist Ostern.
Wo wünschen Sie sich, dass dieses Licht über Ostern hinaus im Alltag weitergegeben wird?
Füreinander da zu sein – das ist für mich das Licht-Anbieten im Alltag. Ein gutes Wort sagen, zuhören, das kann eine andere Atmosphäre schaffen.