Kleine Zeitung Kaernten

Nach Unfall: Bub verkuppelt­e Vater mit Therapeuti­n

Gabriel Laggner stürzte als Kleinkind in einen Teich und überlebte zwölf Minuten unter Wasser. Jahre später brachte er seine Therapeuti­n mit seinem alleinerzi­ehenden Vater zusammen.

- Von Manuela Kalser

Seinen dritten Geburtstag verbrachte Gabriel auf der Intensivst­ation. Wenige Tage zuvor – am 21. April 2008 – wäre er beinahe ertrunken. Er war mit einem Verwandten unterwegs. Während der Mann Holz verlud, stürzte das Kind in einen Teich. „Zwölf Minuten war mein Sohn unter Wasser. Er musste in künstliche­n Tiefschlaf versetzt werden. Doch er hat überlebt“, erzählt Vater Paul Laggner.

Er selbst war noch sehr jung, als er Vater wurde. Bald nach Gabriels Unfall – als 20-Jähriger – übernahm er das alleinige Sorgerecht für seinen Buben. Damals ging Paul Laggner aus Seeboden noch zur Schule. „Während mein Sohn auf der Intensivst­ation lag, habe ich die Matura gemacht“, schildert er. Einerseits zerriss es ihn fast vor Sorge um sein Kind, anderseits wusste er: „Wenn ich jetzt die Schule beende, bin ich danach frei – frei für Gabriel.“

Wie schafft man das? Paul Laggner denkt nach, nimmt einen Schluck Tee und sagt ganz offen: „Ich hab damals einfach funktionie­rt.“Er fuhr mit Gabriel auf Reha, während andere in seinem Alter Party und Maturareis­e machten. Mit Hilfe sei- Familie konzentrie­rte sich Laggner voll auf seinen Sohn Gabriel.

Gabriel, der dem Tod ganz knapp entgangen ist.

Gabriel, der unbedingt zurück ins Leben wollte.

Dass der Bub die lange Zeit im Teich überhaupt überlebt hat, liegt auch daran, dass das Wasser so kalt war. Das hat Gabriels Körperfunk­tionen reduziert.

„Als er zu sich kam, haben sich Gehirnschä­den bemerkbar gemacht. Laufen, spielen, Schubladen öffnen, greifen, neue Worte plappern – alles, was ein Kleinkind ausmacht, musste Gabriel neu lernen. Er konnte nicht mehr richtig schlucken. Teilweise wurde er künstlich ernährt. Die „Kärntner-in-Not“-Mitarbeite­r, die Paul und Gabriel Laggner von früher kennen, erinnern sich, „wie der Vater mit seinem Sohn samt Ernährungs­pumpe in einer Rückentrag­e herumspazi­ert ist – als wäre es das Selbstvers­tändlichst­e der Welt. Die zwei waren toll.“

Paul Laggner meint: „Mir war das gar nicht so bewusst.“Voll für Gabriel da zu sein, das, sagt er, sei die leichteste Entscheidu­ng seines Lebens gewesen.

Heute ist Gabriel elf Jahre alt und besucht die Neue Mittelschu­le. Er hat eine Sprachstör­ung und braucht Schienen als Geh-Hilfen. Im Unterricht erhält er 1:1 Betreuung. „Er hat einen starken Willen.“Auch mit dem Element Wasser hat er sich längst ausgesöhnt. „Stillstand gibt es nie. Gabriels Entwicklun­g reift ständig nach“, sagt der Vater. Jedes Jahr fährt er mit dem Buben zur Reha in die Uniklinik Köln. Dort arbeiten Experten nach dem Konzept „Auf die Beine“. „Das hilft Gabriel sehr“, lobt Laggner.

Mit seinen 29 Jahren wirkt er gelassener und erfahrener als so mancher 40-Jährige. „Es dauert Jahre, bis man versteht, was es heißt, ein beeinträch­tigtes Kind zu haben“, betont er. Lange habe er gehofft, dass Gabriel wieder ganz gesund wird, „wenn ich nur genug dafür mache“. Nun weiß er: „Gabriel ist nicht ganz gesund. Aber es geht ihm gut. Gabriel hat so viel vom Leben.“Er selbst hatte es als Vaner ter nicht immer leicht. „Als 20Jähriger mit einem behinderte­n Kind, bist Du gesellscha­ftlich am Rand“, weiß Laggner. Aber mit Hilfe seiner Familie hat er es geschafft, auch auf sich selbst zu achten. Er hat ein Studium beendet und arbeitet seit Kurzem als Bauingenie­ur.

Und jetzt kommt noch etwas: Eine Begegnung, bei der es fast schwerfäll­t, nicht kitschig zu werden. Vor Jahren hat Paul Laggner seine große Liebe kennengele­rnt. „Sabine. Sie war Gabriels Ergotherap­eutin. Immer wieder habe ich Gabriel zu ihr gebracht“, lächelt er mit einer Mischung aus Weisheit und Spitzbübig­keit. „Und was soll ich sagen? Gabriel hat uns verkuppelt. Den Rest haben wir dann selbst gemacht,“fügt er strahlend hinzu. Eines Tages gingen die Ergotherap­eutin und der junge Vater klettern – mit dem Ergebnis, dass sie vergangene­n Oktober geheiratet haben. „Jetzt bleibt ihr für immer zusammen“, hat Gabriel bei der Hochzeit gejubelt.

Gemeinsam mit dem Buben leben die beiden nun nahe Seeboden: „Wir sind eine glückliche Familie. Es hat sich alles zusammenge­fügt. Das ist schon eine verrückte Geschichte.“

Eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreibt.

Voll für Gabriel da zu sein, das war die leichteste Entscheidu­ng meines Lebens. Da habe ich keine Sekunde überlegen müssen. Paul Laggner

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