Kleine Zeitung Kaernten

„Erdog˘ an wird durch schwächeln­de europäisch­e Demokratie­n stark“

Auch wenn viele eingeschüc­htert oder manipulier­t worden seien, glauben Leser, dass man das türkische Volk nicht im Stich lassen sollte.

- „Bittere Zeitenwend­e am Bosporus“, 18. 4. Dr. Bruno Reuer, Bodensdorf

Als „kranker Mann am Bosporus“wurde im 19. Jahrhunder­t das untergehen­de Osmanische Reich persiflier­t, aus dem am Anfang des 20. Jahrhunder­ts Mustafa Kemal Atatürk als erster Präsident der Türkei eine moderne Demokratie nach westlichem Vorbild schaffen wollte. Und heute muss man sich fragen, ist der „kranke Mann“etwa wieder genesen – oder wird er gar übermütig? In Zentraleur­opa erregt man sich darüber, dass einer wie Präsident Recep Tayyip Erdog˘an versucht, als starker Mann aufzutrete­n, jetzt nicht in Richtung Europa und moderner Demokratie, sondern als Präsident einer Autokratie, der glaubt, mit Putin und Trump auf Augenhöhe sprechen zu können. Um das Ziel zu erreichen, sind ihm und seinesglei­chen alle Mittel recht, Wahlmanipu­lation, Einschücht­erung der Türken außerhalb des Landes durch geheimdien­stliche Tätigkeite­n, Gefängniss­trafen sowie Bezichtigu­ngen deutscher Politiker als Nazis usw. Und wer glaubt am Ende noch an eine demokratis­che Abstimmung un- den Augen von OSZE-Wahlbeobac­htern?

Nein, Erdog˘an wird nicht stark durch eigene Kraft, sondern durch die schwächeln­den europäisch­en Demokratie­n, einschließ­lich der EU. Entscheidu­ngen kommen aus Behäbigkei­t nicht zustande, während alle Informatio­nen in Sekundensc­hnelle um die Welt kreisen, Anschläge, Flüchtling­sströme und sonstige Katastroph­en auslösend. Wen wundert es da, wenn der Ruf nach dem starken Mann ertönt?

Dennoch, ob Erdog˘an, Trump, Putin oder Le Pen, sie alle werden noch zur Kenntnis nehmen müssen, es gibt auch noch die anderen, die vielleicht im Moment nicht ihre Stimme erheben können, wegen Manipulati­on, Einschücht­erung, Gefängnisa­ufenthalt oder gar Ermordung. Aber sie sind da . . .

Forderunge­n, die Beitrittsg­espräche zu beenden, sind langfristi­g keine kluge Politik. Es kann noch 20 Jahre dauern, aber am Ende muss die Vernunft siegen.

Markus Saueregger, Dellach

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