Nach langem Weg zur Anklage: Karl-Heinz Grasser im Herbst vor Gericht.
Ein Zufall brachte die Causa ins Rollen. Nach acht Jahren hat die Justiz den Weg für ein Strafverfahren gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser frei gemacht.
1
Es hat ja schon Dutzende Male geheißen, eine Anklage stehe bevor. Wie fix ist das jetzt?
ANTWORT: Sehr fix. Sofern KarlHeinz Grassers gefinkelte Anwälte nicht noch im letzten Moment einen juristischen Schachzug aus dem Hut zaubern, muss sich der frühere Finanzminister gemeinsam mit anderen 14 Beteiligten ab Herbst vor Gericht verantworten. Das Oberlandesgericht in Wien hat den Weg für einen Prozess frei gemacht. Die Anklage lautet auf Untreue, Geschenkannahme, Bestechung.
2 Was wird ihm zur Last gelegt?
ANTWORT: Grasser soll, so der Vorwurf, im Zuge der Privatisierung der Bundeswohnungen (Buwog) im Jahr 2004 entscheidende Insiderinformationen weitergegeben haben, im Gegenzug sollen Schmiergelder in Höhe von zehn Millionen Euro geflossen sein – es besteht die Unschuldsvermutung.
3 Wie soll das genau abgelaufen sein?
ANTWORT: Bei der Buwog-Privatisierung machte ein Konsortium rund um die Immofinanz das Rennen. Das Verdächtige war, dass die siegreiche Gruppe um eine Million Euro mehr bot als das unterlegene Konsortium um die CA Immo, nämlich 961 statt 960 Millionen. Der Anklage zufolge soll Immo-Chef Karl Petrikovics einen Tipp von Lobbyist Peter Hochegger bekommen haben. Dieser wiederum soll vom Grasser-Vertrauten Walter Meischberger über die Höhe des CA-Anbots informiert worden sein. Woher dieser den entscheidenden Hinweis bekam? Meischberger dementiert, dass es Grasser war.
4 Wie hoch sind die Provisionen, die geflossen sein sollen?
ANTWORT: Immofinanz-Chef Petrikovics zahlte im Geheimen eine Provision von rund ein Prozent des Kaufpreises (9,6 Millionen) an Hocheggers Firma Astropolis auf Zypern, dafür wurden Scheinrechnungen ausgestellt. Von dort lenkte Hochegger die Summe auf drei Konten in Liechtenstein, deren Nutznießer, so die Anklage, Meischberger, Buwog-Aufsichtsratspräsident Karl Plech und eben Grasser gewesen sein sollen.
5 Woher weiß man das alles? Wo sind die Beweise?
ANTWORT: Ohne die LehmanPleite im Herbst 2008 wäre die Causa nie aufgeflogen. Im Zuge von Lehman geriet die Immofinanz schwer ins Trudeln. Bei der Aufarbeitung der Immofinanz-Kiste stieß die Justiz eher durch Zufall auf die Buwog-Affäre. Christian Thornton, einer der Vorstände, räumte beim Verhör ein, dass er „nach Abschluss der Transaktion mit einem Herrn Hochegger Kontakt aufgenommen hatte. Es wurden Rechnungen von zypriotischen Gesellschaften gelegt.“Es sei ein Erfolgshonorar für Hocheggers Tätigkeit im Rahmen der Buwog-Privatisierung gewesen.
6 Wo ist der Beweis, dass Grasser das Geld kassiert hat?
ANTWORT: Der rauchende Colt fehlt, allerdings gibt es eine Reihe von Indizien, dass er der Nutznießer einer der drei Konten war. Grasser behauptete bis zuletzt, dass bei der Buwog-Privatisierung alles „supersauber“abgelaufen sei.
7 Ist es nicht ein Skandal, dass bis zur Anklage acht Jahre verstrichen sind?
ANTWORT: Jein. Wegen der Prominenz der Beschuldigten war die Justiz freilich erpicht auf eine wasserdichte Anklageschrift. Die Kontenöffnungen in der Steueroase Liechtenstein gestalteten sich besonders mühsam, langwierig, schwierig. Zudem haben die Grasser-Anwälte es durch multiple Beschwerden und Einwände, die jedem Angeklagten freilich zustehen, geschafft, die Verfahren in eine unerträgliche Länge zu ziehen.
8 Wer ist noch angeklagt?
ANTWORT: Neben Grasser angeklagt sind eben Meischberger und Hochegger, Petrikovics und Plech. Zudem müssen der mächtige Ex-Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Ludwig Scharinger, RLB-Vorstandsdirektor Georg Starzer, Meischbergers früherer Anwalt Gerald Toifl, Führungskräfte des Baukonzerns Porr, ein Jurist und ein Vermögens-
9 Was ist die zweite Causa?
ANTWORT: In der zweiten Causa geht es um die Einmietung der oberösterreichischen Finanz im Linzer Terminal Tower 2006. Das Hochhaus am Linzer Hauptbahnhof war ein Gemeinschaftsprojekt von Porr und Raiffeisen OÖ. Damals floss eine „Vermittlungsprovision“von 200.000 Euro via Hochegger an Meischberger, der das Geld nach Liechtenstein transferierte. Dort landete es auf jenen drei Konten, wohin schon der Großteil der Buwog-Millionenprovision geflossen war.
10 Wie wahrscheinlich ist es, dass Grasser hinter Gitter muss?
ANTWORT: Darüber zu spekulieren, ist müßig und unseriös. Wenn die Beweiskette aus Sicht der Richter zu dünn ist, kommt er frei.