Motoren für Hybrid-Autos sichern Steyr
INTERVIEW. Jeder zweite BMW weltweit hat einen Motor aus Steyr. Die meisten davon sind Diesel. Wie sich der Chef des Werkes, Gerhard Wölfel, die Zukunft für den Standort vorstellt, erzählt er im Interview.
W erden die Chinesen mit ihren Elektroautos den Europäern bald davonfahren?
GERHARD WÖLFEL: Wir beobachten das intensiv und haben dabei den Vorteil, auch mit Werken in China vertreten zu sein.
Was brodelt in den Denkfabriken von BMW, wie die Mobilität von überübermorgen aussieht? Da erfahren wir selbst nichts vorneweg. Sicher beschäftigen sie sich mit scheinbar Denkunmöglichem.
Was wäre Denkunmögliches?
Autos ohne Räder wie Hoover Crafts auf Luftkissen.
Da frage ich lieber ganz vorsichtig, was mein Auto in zehn Jahren kann und was nicht? Ich glaube nicht, dass es zu so einer radikalen Veränderung kommen wird wie einst vom Pferd zum Auto. Die Konnektivität von Autos mit dem Internet wird selbstverständlich sein. Das ist nützlich, um die nächste Tankstelle zu finden. Ob wir uns das Auto ohne Fahren vorstellen wollen? Also, unsere Autos werden immer ein Lenkrad haben, auch wenn es zu 100 Prozent autonom fahren kann. Die Technik ist ja längst da, genauso wie der digitale Wandel in der Produktion. Die Entwicklung ist aber eine evolutionäre, keine revolutionäre.
Die Automobilindustrie steht also nicht vor dem größten Technologiewandel ihrer Geschichte? In seiner Grundfunktion wird das Auto bleiben.
Und bei der Motorisierung?
Da wird es noch Jahrzehnte dauern, bis der Verbrennungsmotor abgelöst wird. Egal, ob Diesel oder Otto-Motor.
Ja. Nur, wo die Reise wirklich hingeht, weiß doch keiner.
Dass Sie eine Lanze für den Verbrennungsmotor brechen, ist verständlich. Wie lange wird Ihrer Einschätzung nach die Technologiefrage denn noch offen sein? Solange wir von fossilen Brennstoffen, seltenen Erden oder anderen limitierten Ressourcen abhängig sind, sprechen wir nicht von einer disruptiven Veränderung. Wenn wir uns Richtung Wasserstoff bewegen, schaut die Welt anders aus. Das könnte in einigen Jahrzehnten die nächste Diskussion sein.
Warum erst in Jahrzehnten?
Die Technik ist schon vorhanden, aber die Infrastruktur nicht. Will man sich neben dem klassischen Tankstellennetz und demnächst elektrischer Ladeinfrastruktur noch eine dritte Infrastruktur leisten?
Die OMV hat schon Wasserstofftankstellen. Weltweit geht es um andere Dimensionen. Mir erscheint viel realistischer, dass wir in Städten bald reine Elektromobilität sehen. Für größere Distanzen werden wir den sparsamen Diesel behalten, auch weil es bei uns nicht wie in den USA üblich ist, über kurze Distanzen zu fliegen. Bei Lastwagen kommt auch der Wasserstoffantrieb, die haben genug Platz dafür.
Im deutschen Markt gibt es schon sinkende Diesel-Verkaufszahlen. Mit welchen Verschiebungen rechnen Sie? Das ist derzeit ein Auf und Nieder. Unsere Verkaufszahlen ziehen an. Wachstum wird sich überwiegend auf der Batterieund Hybridisierungsseite abspielen. Für reine E-Fahrzeuge hat ja nicht jeder einfache Lademöglichkeiten.
Die Porsche Holding zieht deshalb mit den Kreisel-Brüdern eine eigene Ladeinfrastruktur auf. Die Kreisel-Brüder sind sicher gut. Wir haben unsere eigenen Entwicklungen und bezüglich des Ladenetzes eigene Aktivitäten. Bei der Infrastruktur hat jeder einen ähnlichen Ansatz. Die Kunst, das Schwierige wird sicher das Vernetzen sein, einmal ganz abgesehen von der Frage, woher der Strom kommt.
Was ist schwierig?
Wenn es bei einem privaten Ladenetz um Wettbewerbsvorteile geht, könnte man überlegen, wer wann Strom tanken darf, wer vielleicht Vorrang hat.
Konkret zu Steyr. Wie wollen Sie dort den bevorste- henden Wandel bewerkstelligen? Wir haben Reaktionsbausteine, um flexibel produzieren zu können. Die Diesel-Motorenfertigung hat sich bereits von 80 auf 70 Prozent zugunsten der Benzinmotoren reduziert. Sollte das auf ein größeres Maß gehen – was wir nicht glauben –, füllen wir die Lücken mit Otto-Motoren, die wir für unsere geplante Hybridisierung brauchen. Das ist die Absicherung für den Standort. So werden wir noch lange das jetzige Volumen produzieren. Bestimmt noch zehn Jahre.
Sie wollen Steyr zu einem Vorzeigemodell im Konzern machen. Was planen Sie da? In Bezug auf die Motorenfertigung geht es mir um einen gesamthaften Ansatz, wie Menschen länger gesund arbeiten können. Da geht es um Ergonomie, Licht, Abwechslung beim Arbeiten innerhalb eines Teams, Physiotherapeuten im Haus, Familienfreundlichkeit. Bei uns wird es sicher trotz Digitalisierung keine menschenleeren Hallen geben. Gerhard Wölfel
APA; BMW GROUP (2)