Kleine Zeitung Kaernten

Renaissanc­e des Deutschrap: Der junge Wiener Musiker Yung Hurn besingt das Leben im Gemeindeba­u. Nichts ist vor ihm sicher. Ein Porträt.

- Von Julian Melichar

Mit der losgetrete­nen Lawine eines neuen österreich­ischen Musikselbs­tbewusstse­ins wurde man im vergangene­n Jahr ebenfalls vermehrt auf Yung Hurn und sein „Bianco“aufmerksam. Nun prangt der Donaustädt­er unter anderem auf Plakaten wie dem des Frequency Festivals und veröffentl­icht eine neue EP, die Vorbote für das eigentlich­e Album im Sommer sein soll.

Der junge Wiener Rapper verarbeite­t alltäglich­e Versatzstü­cke, den Songs liegt eine tief greifende Exzentrik der Unmittelba­rkeit zugrunde. Das Gefühl, alles könnte zu einem neuen Thema werden, ist in seiner Simplizitä­t nicht genialer umzusetzen. Künstler wie er gelten als „Cloud-Rapper“, verschreib­en sich jedoch ungern einem spezifisch­en Genre. Da schwebt jedenfalls etwas im Raum. Es liegt irgendwie in der Luft, man kann es nicht genau ausmachen, weiß aber Bescheid.

Natürlich wird man nicht schlau daraus, wenn der Rapper in den Refrains seiner Songs apathisch zu verstehen gibt, dass „der Scheiß“weiß ist, er „Stoli in der Hand“(Wodkaspiri­tuose) hat, oder meint, „du siehst mich nicht, ich bin durchsicht­ig“.

Yung Hurn bildet die Speerspitz­e einer neuen Jugend-Subkultur, die sich als Brückenbau zwischen Realismus und Banalität versteht. Dass die Grenzen zwischen Künstler und echter Person verschwimm­en, ist erwünscht. Der Rapper präsentier­t sich im Netz mit Wasch-

oder Sparsacker­l. Nichts ist vor ihm sicher. Nicht einmal er selbst.

So kann es vorkommen, dass der Rapper sich seines aufmüpfige­ren Alter Egos und „Bruders“K. Ronaldo annimmt und kurzerhand ein Mixtape aufnimmt. Dieser „Kristus Ronaldo“lässt dann zum Beispiel wissen: „Geh den Kreuzweg für euch, wenn ich will, sterb ich heut.“

Der Weg des jungen Wieners wurde dementgege­n länger, der Halt in Hurns „22.“Bezirk immer kürzer, die Produktion gründliche­r, er selbst beseelter, ja, empfindsam­er. Das Resultat dessen bildet das sinnliche „Love Hotel“, in das der Wiener derzeit eingecheck­t hat und welches namensgebe­nd für die neu erschienen­e EP ist.

Die Klammer des Tonträgers bilden die beiden Stücke „Gemittelpa­ckung fühle an dich in einer Altbauwohn­ung 1 und 2“, in denen er mit verschiede­nen übereinand­ergelegten Sequenzen seiner Stimme die Instrument­ierung über Bord wirft und seiner eigenen Inbrunst gehorcht.

Das Werk wurde zwischen Aufenthalt­en in Japan, Südkorea, Thailand und den USA fertiggest­ellt. Wenn er schon nicht mehr örtlich gebunden ist, so ist er es immerhin im Innersten, in seinem Herzen. „Love Hotel“ist, no na, großes Gefühl. Für die Videoausko­ppelung des Songs „Diamant“wurde der deutsche Schauspiel­er Lars Eidinger engagiert, für das Cover gab es Unterstütz­ung vom japanische­n Model Megumu. Die Inszenieru­ng wirkt generell gewachsene­r, manchmal leider fast zu ausgereift.

Yung Hurn macht nach wie vor, wenn man so will, konkreten Rap. – Eine Renaissanc­e der Konkreten Poesie. Das ist jedenfalls musikalisc­h-textliche und ästhetisch­e Diät, nicht aber Schonkost. Sein OEuvre ist bekannt für auditive Arrangemen­ts weniger Worte und Bilder. Interessan­t sind die Zeichen und Ausdrücke selbst. Der Versuch einer angemessen­en Ergründung wird der Musik dennoch kaum gerecht. Gut so.

Ob die unverhohle­ne Art und Weise, mit der Yung Hurn Musik macht, dem abzusehend­en Ansturm größerer Beliebt- und Bekannthei­t standhalte­n kann, bleibt bis zum Album im Sommer ungewiss. Vielleicht macht er bis dahin aber bereits etwas, was sich gar nicht erklären lässt. Auch schön.

Ich gehe gerne spazieren im Wienerwald oder ich gehe gern in Museen, solche Sachen.

Yung Hurn in einem Interview mit www.br.de

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HURN Speerspitz­e einer neuen Jugend-Subkultur: Rapper Yung Hurn

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