Renaissance des Deutschrap: Der junge Wiener Musiker Yung Hurn besingt das Leben im Gemeindebau. Nichts ist vor ihm sicher. Ein Porträt.
Mit der losgetretenen Lawine eines neuen österreichischen Musikselbstbewusstseins wurde man im vergangenen Jahr ebenfalls vermehrt auf Yung Hurn und sein „Bianco“aufmerksam. Nun prangt der Donaustädter unter anderem auf Plakaten wie dem des Frequency Festivals und veröffentlicht eine neue EP, die Vorbote für das eigentliche Album im Sommer sein soll.
Der junge Wiener Rapper verarbeitet alltägliche Versatzstücke, den Songs liegt eine tief greifende Exzentrik der Unmittelbarkeit zugrunde. Das Gefühl, alles könnte zu einem neuen Thema werden, ist in seiner Simplizität nicht genialer umzusetzen. Künstler wie er gelten als „Cloud-Rapper“, verschreiben sich jedoch ungern einem spezifischen Genre. Da schwebt jedenfalls etwas im Raum. Es liegt irgendwie in der Luft, man kann es nicht genau ausmachen, weiß aber Bescheid.
Natürlich wird man nicht schlau daraus, wenn der Rapper in den Refrains seiner Songs apathisch zu verstehen gibt, dass „der Scheiß“weiß ist, er „Stoli in der Hand“(Wodkaspirituose) hat, oder meint, „du siehst mich nicht, ich bin durchsichtig“.
Yung Hurn bildet die Speerspitze einer neuen Jugend-Subkultur, die sich als Brückenbau zwischen Realismus und Banalität versteht. Dass die Grenzen zwischen Künstler und echter Person verschwimmen, ist erwünscht. Der Rapper präsentiert sich im Netz mit Wasch-
oder Sparsackerl. Nichts ist vor ihm sicher. Nicht einmal er selbst.
So kann es vorkommen, dass der Rapper sich seines aufmüpfigeren Alter Egos und „Bruders“K. Ronaldo annimmt und kurzerhand ein Mixtape aufnimmt. Dieser „Kristus Ronaldo“lässt dann zum Beispiel wissen: „Geh den Kreuzweg für euch, wenn ich will, sterb ich heut.“
Der Weg des jungen Wieners wurde dementgegen länger, der Halt in Hurns „22.“Bezirk immer kürzer, die Produktion gründlicher, er selbst beseelter, ja, empfindsamer. Das Resultat dessen bildet das sinnliche „Love Hotel“, in das der Wiener derzeit eingecheckt hat und welches namensgebend für die neu erschienene EP ist.
Die Klammer des Tonträgers bilden die beiden Stücke „Gemittelpackung fühle an dich in einer Altbauwohnung 1 und 2“, in denen er mit verschiedenen übereinandergelegten Sequenzen seiner Stimme die Instrumentierung über Bord wirft und seiner eigenen Inbrunst gehorcht.
Das Werk wurde zwischen Aufenthalten in Japan, Südkorea, Thailand und den USA fertiggestellt. Wenn er schon nicht mehr örtlich gebunden ist, so ist er es immerhin im Innersten, in seinem Herzen. „Love Hotel“ist, no na, großes Gefühl. Für die Videoauskoppelung des Songs „Diamant“wurde der deutsche Schauspieler Lars Eidinger engagiert, für das Cover gab es Unterstützung vom japanischen Model Megumu. Die Inszenierung wirkt generell gewachsener, manchmal leider fast zu ausgereift.
Yung Hurn macht nach wie vor, wenn man so will, konkreten Rap. – Eine Renaissance der Konkreten Poesie. Das ist jedenfalls musikalisch-textliche und ästhetische Diät, nicht aber Schonkost. Sein OEuvre ist bekannt für auditive Arrangements weniger Worte und Bilder. Interessant sind die Zeichen und Ausdrücke selbst. Der Versuch einer angemessenen Ergründung wird der Musik dennoch kaum gerecht. Gut so.
Ob die unverhohlene Art und Weise, mit der Yung Hurn Musik macht, dem abzusehenden Ansturm größerer Beliebt- und Bekanntheit standhalten kann, bleibt bis zum Album im Sommer ungewiss. Vielleicht macht er bis dahin aber bereits etwas, was sich gar nicht erklären lässt. Auch schön.
Ich gehe gerne spazieren im Wienerwald oder ich gehe gern in Museen, solche Sachen.
Yung Hurn in einem Interview mit www.br.de