Kleine Zeitung Kaernten

Jetzt geht es um Europa

Die Wähler haben entschiede­n: Emmanuel Macron und Marine Le Pen gehen am 7. Mai in die Stichwahl für das Amt des französisc­hen Präsidente­n.

- Axel Veiel aus Paris

Glücklich sind an diesem Sonntagabe­nd nur sie: der Soziallibe­rale Emmanuel Macron und seine im Süden von Paris zusammenge­eilten Anhänger. Noch eine Stunde nach Verkündung der ersten Wahlergebn­isse schwenken sie freudetrun­ken die Trikolore, singen, rufen, brüllen: „Macron président!“Mit rund 23 Prozent wird er bei einer Wahlbeteil­igung von 77 Prozent als Sieger der ersten Runde in die Stichwahl ziehen. Und wenn nicht alles täuscht, wird der 39-jährige Senkrechts­tarter, der vor einem Jahr erst mit der Gründung seiner Bewegung „En Marche!“(Vorwärts!) an den Start gegangen war, in zwei Wochen tatsächlic­h seinen früheren Mentor François Hollande im Élysée-Palast beerben. Mit 62 Prozent könne Macron rechnen, hat das Meinungsfo­rschungsin­stitut Ipsos verkündet.

Macron selbst zeigt sich zuversicht­lich. „Die Wähler haben ein neues Kapitel der französisc­hen Geschichte aufgeschla­gen“, verkündet er vor seinen Anhängern. Mit Optimispro­pagierten und voller Hoffnung für Frankreich und Europa werde er in die Stichwahl ziehen. „Wir werden gewinnen“, schallt es ihm tausendfac­h entgegen. Für ihn heißt es im Erfolgsfal­l, zu zeigen, dass er tatsächlic­h zum Erneuerer taugt, dass es den von ihm verheißene­n Weg zwischen ausgetrete­nen sozialisti­schen und konservati­ven Pfaden tatsächlic­h gibt.

Drum herum gibt es nur Verlierer. Da sind an erster Stelle die konservati­ven Republikan­er und die Sozialiste­n, deren Kandidaten erstmals in der Geschichte der Fünften Republik nicht in die Stichwahl gelangt sind. Wie eine Verliereri­n gebärdet sich freilich auch Marine Le Pen. Dabei hat sie es doch geschafft, ist in die Stichwahl eingezogen. Auch ist Macron, mit dem sich die Chefin des Front National am 7. Mai zu duellieren hat, ihr erklärter Wunschgegn­er. Die Franzosen hätten in zwei Wochen zu entscheide­n, ob sie dem von ihr propagiert­en Patriotism­us den Vorzug geben wollten oder der von Macron Globalisie­rung, hat die Rechtspopu­listin wissen lassen. Eine klarere Alternativ­e könne es nicht geben.

Doch auch wenn sich die FNChefin um ein Lächeln bemüht, mit rauer Stimme das „historisch­e Resultat“preist: Die Politikeri­n wirkt enttäuscht. Und auf den Gesichtern so manches in ihrer nordfranzö­sischen Hochburg Hénin-Beaumont zusammenge­kommenen Getreuen zeichnet sich ebenfalls Frust ab. Die Versammelt­en hatten gemus

hofft, Le Pen werde als Siegerin der ersten Wahlrunde ein Zeichen für die zweite setzen. Bei den Regional- und Europawahl­en war der Front National zur stärksten politische­n Kraft avanciert. Diesmal ist es nur Platz zwei. Und vor allem:

Noch am Sonntagabe­nd haben sich fast alle Ausgeschie­denen hinter ihren Gegner gestellt. Von den konservati­ven „Republikan­ern“über die Grüne Cécile Duflot bis hin zum mit nicht einmal sieben Prozent der Stimmen gedemütigt­en Sozialiste­n Benoît Hamon: Sie haben sie dazu aufgerufen, in zwei Wochen gegen den Rechtsradi­kalismus zu stimmen, sich an den Wahlurnen zu Macron zu bekennen. Allein der sichtlich enttäuscht­e, auf Platz vier verwiesene Linksaußen Jean-Luc Mélenchon hat wissen lassen, er wolle die Basis seiner Bewegung „La France insoumise“(Das unbeugsame Frankreich) über eine mögliche Wahlempfeh­lung entscheide­n lassen.

François Fillon, der auf Platz drei gelandet und ausgeschie­den ist, war einer der Ersten, der dem im Wahlkampf geschmähte­n Rivalen seine Solidaritä­t versichert hat. Der in eine Scheinarbe­itsaffäre verstrickt­e Konservati­ve hat im Angesicht der Niederlage beeindruck­end aufrichtig­e Worte gefunden. „Ich habe nicht überzeugt“, hat Fillon gesagt, „ich allein trage für diese Niederlage die Verantwort­ung.“Es folgten vernichten­de Worte an die Adresse Le Pens: „Eine rechtsextr­emistische Partei, bekannt für ihre Intoleranz, die den europäisch­en K. o. wünscht und Frankreich in den Bankrott führen würde, greift nach der Macht – ich wähle deshalb in zwei Wochen Macron.“

Die Finanzmärk­te geben bereits Entwarnung. Wohlhabend­e Franzosen, die ihr Vermögen im Vorfeld des Wahlsonnta­gs nach Luxemburg transferie­rt haben, können die Verträge getrost wieder kündigen.

Was nicht heißt, dass Frankreich zur Tagesordnu­ng übergehen könnte. Der Wahlkampf hat eine Menge Bitterkeit hinterlass­en. Die Plakatwänd­e vor den Wahllokale­n hatten am Sonntag noch einmal daran erinnert. Zerfetzt und verschmier­t hing vielerorts herab, was zwei Wochen zuvor als strahlende­s Konterfei eines Kandidaten aufgeklebt worden war. Im Fall der Pariser Vorstadt Saint-Cloud hatten Bürger auch noch zur Farbsprayd­ose gegriffen und malträtier­te Gesichter mit dem Boykottauf­ruf versehen. „Wählt nicht!“

Die Scheinarbe­itsaffären Fillons, aber auch Marine Le Pens hatten das dem Wähler unterbreit­ete politische Angebot erheblich reduziert. Wer das höchste Staatsamt keinem krummer Geschäfte verdächtig­en Bewerber anvertraue­n und nicht für einen chancenlos­en Kandidaten stimmen wollte, hatte nur die Wahl zwischen dem Linksaußen Mélenchon und dem zum kollektive­n Marsch in die Moderne aufrufende­n Jungstar Macron. Eine für eine große Demokratie erschrecke­nd geringe Auswahl war das.

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AP, APA (2)
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Runde: Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte

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