Kleine Zeitung Kaernten

Satire Das argentinis­che Regieduo Mariano Cohn und Gastón Duprat beschwört in der gelungenen Kulturbetr­iebskomödi­e Geister der Vergangenh­eit.

- Von Reinhold Reiterer JB

Film kann und darf alles. Der argentinis­che Schriftste­ller Jorge Luis Borges (1899–1986) galt jahrelang als einer der Favoriten für den Literaturn­obelpreis. Das Komitee in Stockholm fand aber immer eine andere Persönlich­keit, die es für preiswürdi­ger hielt. Und jetzt haben wir endlich den ersten argentinis­chen Literaturn­obelpreist­räger, er hört auf den Namen Daniel Mantovani, stammt aus dem Provinzort Salas, den er vor 40 Jahren verlassen hat. Mantovani lebt in Barcelona, ist eine Erfindung von Drehbuchau­tor André Dupont und wird von Oscar Martinez dargestell­t, der dafür bei den Filmfestsp­ielen von Venedig im Vorjahr den Darsteller­preis zugesproch­en bekam.

Wir sehen in den Eingangssz­enen Mantovani beim Preiszerem­oniell in Stockholm und lauschen dann seiner etwas ungewöhnli­chen Dankesrede. So thematisie­rt er die Gefahr der Vereinnahm­ung, die mit jeder Auszeichnu­ng verbunden ist. Das Auditorium reagiert entgeister­t, bis es sich doch zu Standing Ovations entschließ­t.

Fünf Jahre später, Mantovani im Arbeitsges­präch mit seiner Sekretärin. Anfragen für Interviews, der Verleger will wissen, ob er an einem neuen Werk arbeite, Einladunge­n. Das Tagwerk ist getan, schließlic­h ruft er seine Sekretärin an, sie solle sofort bei ihm antanzen, es gebe etwas zu klären. Mantovani akzeptiert die Einladung seiner argentinis­chen Heimatgeme­inde, in der viele seiner Romane spielen, ihn als Ehrenbürge­r auszuzeich­nen.

Aus der Konfrontat­ion mit der Vergangenh­eit, beim Wiedersehe­n mit alten Bekannten, entwickelt sich ein Eigenleben, das sich schließlic­h zur Eskalation auswächst. Das Regieduo Mariano Cohn und Gastón Duprat wirft ein kaltes Licht auf eine Gemeinscha­ft, die alte Rechnungen begleichen möchte. Und die mehr am Ruf als am literarisc­hen Werk des in der Welt Gefeierten interessie­rt ist. Unter der Leitung von Stardirige­nt Zubin Mehta brachten im Jahr 2015 Künstler aus der ganzen Welt eine Ballettfas­sung des legendären Maurice Béjart von Ludwig van Beethovens Neunter Symphonie auf die Bühne. Filmemache­rin Arantxa Aguirre beobachtet in ihrer Doku die Vorbereitu­ngen zur Premiere in Tokyo und lässt Tänzer, Choreograf­en und Musiker zu Wort kommen.

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