Grenzkontrollen: „Ziehen das durch“
Außenminister Sebastian Kurz weist die Forderung der EU-Kommission, kontrollierte Grenzen wie jene Österreichs wieder freizugeben, zurück. Solange die Außengrenzen nicht geschützt seien, sollten die EU-Länder die Frage eigenständig klären dürfen. INTERVI
Wie fanden Sie die Idee Ihrer Partei, den Kanzler als Kommunisten zu brandmarken?
Es riecht derzeit vieles schon nach Wahlkampf, die „Plan A“-Tour und die Pizza-Aktion der SPÖ und jetzt die Präsentation des Manifests durch die ÖVP. Ich merke auch, dass die Angriffe der Parteisekretariate von SPÖ, FPÖ und Grünen auf mich ständig zunehmen. Ich für meinen Teil beschäftigte mich damit, was mein Job ist.
Wie sehr leidet die Sacharbeit unter den Nadelstichen? Ich bin jung und dadurch relativ ungeduldig und würde mir mehr Tempo wünschen. In meinem Bereich ist mit dem Integrationsgesetz und Integrationsjahr-Gesetz viel weitergegangen. Allerdings hätte das wesentlich schneller passieren können. In anderen Fragen, in denen ich zuständig bin, ist es ähnlich. Vor einem Jahr habe ich das erste Mal das Integrationsgesetz gefordert, auch Asylzentren außerhalb Europas, jetzt wird das vom Bundeskanzler abwärts von fast allen unterstützt, sogar Staatssekretärin Duzdar hat sich zuletzt positiv geäußert. Man könnte sich diese Zwischenphasen sparen, wenn nicht bei jedem meiner Vorschläge aus purer Emotionalität automatisch der NeinReflex kommen würde.
Viele sagen, dass das keine Zwischenphasen sind, sondern bereits die Endphase. Neuwahlen bevor?
Stehen Das entscheiden der Bundeskanzler, der Vizekanzler und das Parlament. Ich habe vor ein paar Monaten bereits gesagt, dass ich Nationalratswahlen während des EU-Vorsitzes nicht für sonderlich schlau halte, da hieß es dann, ich sei für sofortige Neuwahlen. Ich beteilige mich daher nicht an Spekulationen zum Wahltermin.
In vielen Bereichen blieb die Integration Rhetorik. Ein Beleg für die Versäumnisse der Politik war auch das Referendum in der Türkei, bei dem auch drei Viertel der Österreich-Türken für Erdog˘an stimmten. Was lief da schief? Wir haben vor einigen Jahrzehnten Gastarbeiter aus der Türkei nach Österreich geholt und den Fehler gemacht, dass niemand damit gerechnet hat, dass die Menschen dableiben würden. Es gab kein Integrationsangebot, und es gab auch keinen Druck, dass diese Menschen das Angebot annehmen müssten.
Sie wollen die Brücken zur Türkei niederreißen. Deutschland warnt davor. Man treibe die Türken in die Arme Putins. Klingt nicht populär, aber vernünftig. Hören wir bitte auf mit dieser Schwarz-Weiß-Malerei, dass wenn der Beitritt nicht stattfindet, dann alle Kontaktmöglichkeiten zur Türkei abgebrochen sind. Es gibt Staaten, mit denen wir gut kooperieren und die trotzdem nicht gleich Mitglied der EU werden. Ich wurde vor einem Dreivierteljahr in Sitzungen der Außenminister massiv für meine Haltung, dass es für diese Türkei vor allem nach den Säuberungsaktionen nach dem Putschversuch keine europäische Perspektive geben darf, kritisiert. Beim jüngsten Treffen in Malta gab es schon eine andere Tonalität. Es ist eine Frage der Zeit, bis Deutschland seine Linie ändern wird. In der Flüchtlingsfrage hat man gesehen, dass das manchmal dauert, aber stattfindet.
Wird Europa in der Lage sein, das Problem zu lösen? Ich bin mir sicher, dass es gelingen wird, die europäischen Außengrenzen zu sichern und illegale Migration massiv einzudämmen. Was es dafür braucht, ist die politische Entscheidung, dass die Rettung im Mittelmeer nicht verbunden ist mit dem Ticket nach Mitteleuropa. Wir haben das bei der Westbalkanrouten-Schließung bewiesen.
Man könne einwenden, Route wurde gewechselt.
die Das ist falsch. Es fand keine Verlagerung statt. Über die Mittelmeerroute kommen ganz andere Leute, als über die Balkanroute gekommen sind, nämlich Menschen aus Afrika, also Gambia, Nigeria, Somalia und Eritrea. Das sind größtenteils keine Flüchtlinge, sondern zu einem sehr hohen Prozentsatz einfach Wirtschaftsmigranten. Über die Mittelmeerroute kommen jedes Jahr rund 30 Prozent mehr Menschen, und das Schlimme ist, dass auch die Zahl der Toten ständig steigt, obwohl die Mittel für die Rettung gesteigert werden. Die Prognose für 2017 liegt bei ungefähr 7000 Toten. Weil die Politik falsch ist.
Wo sind Ihre Verhandlungspartner in Nordafrika? Mit Marokko gibt es noch immer kein Rückführungsabkommen. Die wesentliche Entscheidung muss Europa treffen. Die Frage ist schlicht, ob man die Leute nach der Rettung aufs Festland bringt oder ob man sie an der Außengrenze stoppt, versorgt und von dort die Rückreise organisiert. Sobald klar ist, dass der Migrant, der den Schlepper bezahlt und sein Leben riskiert, nicht nach Deutschland durchkommt, sondern in ein Flüchtlingszentrum nach Ägypten zurückgestellt wird, macht sich in der Sekunde