Kleine Zeitung Kaernten

Unten gegen oben, Stadt gegen Land

- Erwin Zankel Erwin Zankel

A m 1. Mai wurde im Antiquität­enladen gewühlt und nach Resten der Arbeiterkl­asse gesucht. Die Welt hat sich im Verlauf der Jahrzehnte verändert, gewohnte Ordnungen haben ihre Orientieru­ng verloren. Wir erleben eine neue industriel­le Revolution: die Globalisie­rung und Digitalisi­erung.

Die Fronten verlaufen nicht mehr zwischen rechts und links, zwischen Unternehme­rn und Bauern einerseits und Lohnabhäng­igen anderersei­ts. Die Einteilung in Klassen ist überholt. Die Gegensätze entzünden sich zwischen unten und oben, zwischen Volk und Eliten, zwischen Stadt und Land, zwischen Fortschrit­t und Rückstand – und sei es mehr Einbildung als Tatsache.

Wahlen in unterschie­dlichen Ländern, bei denen es um Ja oder Nein ging, zeigten ein ähnliches Muster. In Österreich siegte Van der Bellen in Wien und den Landeshaup­tstädten, Hofer hingegen punktete in Dörfern und Kleinstädt­en. In England wollte London in der EU bleiben, doch wurde die reiche Metropole von den ärmeren Industrie- und Agrargebie­ten überrollt. In Amerika triumphier­te Trump bei den Stahlarbei­tern, Kumpeln und Farmern abseits der Küsten, während die Beamten und Dienstleis­ter in den weltoffene­n Zentren New York, San Francisco und Washington für Clinton schwärmten. In der Türkei stimmten die Millionens­tädte Istanbul und Ankara gegen Erdog˘an, Anatolien stand treu zum autoritäre­n Sultan.

In Frankreich scharte sich das mondäne Paris hinter Macron, lehnte Le Pen aber schroff ab, die ihre Anhänger in den abgehängte­n Regionen rekrutiert. D ie Urbanisier­ung ist ein weltweiter Trend, der Zuzug in die Städte legt an Tempo zu. Das Umland droht zu veröden. Geschäfte und Schulen sperren zu, Postamt und Gendarmari­e sind weg (nur bei der Verteilung der Flüchtling­e scheint sich die Politik der kleinen Gemeinden zu erinnern).

Übrig bleiben das Gefühl der Benachteil­igung und die Sehnsucht nach der vergangene­n Zeit. Die alten Parteien finden bislang keine Antwort und werden von den Populisten vor sich hergetrieb­en.

„In Frankreich scharte sich das mondäne Paris hinter Macron, lehnte Le Pen aber schroff ab.“

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