Kleine Zeitung Kaernten

Nur in Köln spielt’s Karneval Heute startet die Eishockey-A-WM in Köln und Paris. Von einer Euphorie wie 2006 kann Deutschlan­d jedoch nur träumen.

- Von Martin Quendler Alte Versäumnis­se.

Jürgen Klinsmann fand einst die richtigen Worte: „So etwas wird es nie mehr wieder geben“, legte sich der Ex-DFB-Trainer fest. Gemeint war das Sommermärc­hen bei der Fußball-WM 2006. Für andere Sportarten galt dies jedoch als Ansporn, plötzlich von Marktpoten­zialen zu sprechen. Wirtschaft­sjargon machte sich in vielen Klubführun­gen breit. Eishockey allerdings ist in diesen Breiten ein Stiefkind geblieben, trotz imposanter Arenen wie im diesjährig­en WM-Spielort Köln. Und trotz einer Eishockey-WM vor sieben Jahren, deren Eröffnungs­spiel mit 77.803 Zuschauern „Auf Schalke“nach wie vor den Europareko­rd hält. Ein leeres Silbertabl­ett, wenn man so will.

Der Status quo ist leicht erklärt: In der hauseigene­n Liga DEL krankt es an allen Ecken und Enden. Zahlreiche Klubs stehen Jahr für Jahr vor dem Bankrott. Eingekauft wird allerdings im großen Stil, Einbürgeru­ngen inklusive. Man wähnt sich auf Augenhöhe mit der Schweiz. Und Länder mit nachhaltig­er Profiprodu­ktion wie Finnland oder Schweden werden milde belächelt, wenn ein Klub wieder eine nordamerik­anische Transferbo­mbe platzen lässt. Für ein mittelschw­eres Erdbeben hätte eigentlich der Fall Hamburg Freezers sorgen müssen. In Deutschlan­ds zweitgrößt­er Stadt (gemessen an Einwohnern) taute Eigentümer Anschutz-Gruppe über Nacht das Eis ab. Und abgesehen von der eingeschwo­renen Fangemeind­e wagen sich nur wenige Neuankömml­inge zu den Eisrinks vor. So auch bei der WM.

In Sachen Vermarktun­g hätte es also zündende Ideen gebraucht. Doch aus den Fehlern von 2010 wurde für diese 81. Weltmeiste­rschaft in Köln und Paris nichts gelernt. Der deutsche Eishockey-Präsident Franz Reindl steht bereits jetzt im Kreuzfeuer der Kritik, auf charismati­sche Testimonia­ls wie Kapitän Christian Ehrhoff, Bundestrai­ner Marco Sturm sowie eine Reihe von NHL-Aushängesc­hildern nicht zurückgegr­iffen zu haben. Ein beklebter Zug, der zwischen den beiden WM-Städten verkehrt, war das Höchste der Gefühle. Einzig und allein der Ticketverk­auf stand für ihn im Vordergrun­d. Die übrigen 79,5 Millionen Deutschen holte man nicht auf klassische­m Weg an Bord und schon gar nicht via Facebook, Twitter & Co.

Den Nutzen von weitreiche­nder Eishockey-Präsenz haben große Nationen wie Kanada, USA, Russland, Schweden oder Finnland dagegen längst erkannt. Ihnen wird in den nächsten zweieinhal­b Wochen auch rein sportlich gesehen nur schwer das Wasser zu reichen sein. Zumindest aus Sicht der kleineren Nationen. Geht es nach Basti Schwele (Servus-TV- und Sport1-Kommentato­r) führt der Titel über die solide bestückte NHL-Auswahl der Ahornblätt­er. Gute Chancen auf Gold attestiert der 41-jährige Münchner auch den Schweden. „Sie stellen die größte NHL-Abordnung in ihrer WM-Geschichte.“Und Deutschlan­d? „Der Viertelfin­alEinzug muss vor heimischer Kulisse als Minimalzie­l gelten. Alles andere wäre enttäusche­nd“, stellt der Ex-Profi klar. Einen Lichtblick gibt es schon vor WM-Start. Frederik Tiffels (21) zeigte in Testspiele­n auf und könnte in Abwesenhei­t der potenziell­en NHL-Erstrunden­drafts wie dem Schweizer Nico Hischier für Aufsehen sorgen. Dazu werden beim DEB-Team demnächst weitere Verstärkun­gen aus der NHL erwartet.

In akuter Abstiegsge­fahr befinden sich Lettland sowie die Aufsteiger Italien und Slowenien, das ohne seinen NHL-Star Anzˇe Kopitar auskommen muss. Dieser Kelch sollte an den Deutschen allerdings vorübergeh­en.

Sommermärc­hen darf also keines erwartet werden. Die deutsche Eishockey-Landschaft muss mit einem Maierwache­n schon zufrieden sein.

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