Zwei wie Feuer und Wasser
Im brutalsten TV-Duell, das die Franzosen je erlebt haben, hat Macron gegen Le Pen einen Sieg errungen. Doch der Ausgang der Stichwahl am Sonntag bleibt offen.
Das Präsidentschaftsrennen, dieser nun schon Monate währende Marathon, hat ihr offensichtlich nichts anhaben können. Von Verschleißerscheinungen keine Spur. Einem Jungbrunnen scheint sie entstiegen zu sein. Fast möchte man bezweifeln, dass die von den Wahlplakaten herabschauende Madame überhaupt Marine Le Pen ist.
Die harten Züge, die der Rechtspopulistin gut zu Gesicht stehen, wenn sie ihren Zorn auf die Mächtigen, die Eliten, das System artikuliert – sie fehlen. Ein mädchenhaftes, weichgezeichnetes Antlitz ziert die Plakate. Was im Steckbrief der Kandidatin als unveränderliche Kennzeichen aufgeführt war, ist auch nicht mehr da. Das beginnt beim Familiennamen. Marine steht da nur noch. Le Pen fehlt. Die Partei, deren Vorsitz sie 2011 übernommen hat? Ebenfalls Fehlanzeige. Nicht einmal die Initialen FN sind zu entdecken. Vom Logo des Front National, der züngelnden Flam- me, ganz zu schweigen. „Ihr könnt mich ruhig wählen“, scheint sie dem Betrachter bedeuten zu wollen, „ich bin nicht die Scharfmacherin, als die ich immer dargestellt werde.“Und eines steht fest. Nur wenn sie außerhalb des eigenen Lagers überzeugt, kann sie sich am Sonntag in der Stichwahl gegen den sozialliberalen Rivalen Emmanuel Macron durchsetzen.
Passanten, die in Paris die Plakatwände entlangschreiten, verlangsamen den Schritt, halten inne, versuchen Klarheit zu gewinnen, ziehen nachdenklich, wenn nicht kopfschüttelnd weiter. Am Vorabend hatten mehr als 16 Millionen Franzosen im Fernsehen schließlich eine ganz andere Le Pen erlebt. Zum Duell gegen Macron war sie da angetreten. Das Ergebnis war ein Schlagabtausch zweier Kandidaten, wie ihn die Franzosen in dieser Brutalität noch nie erlebt haben. „Das war keine Debatte, das war ein Gemetzel“, sollte der „Figaro“tags drauf feststellen.
haben die Moderatoren den Ring freigegeben, landet die 48-Jährige die ersten Schläge. Sie schmäht ihren Kontrahenten als „Kandidaten einer wilden Globalisierung, eines Krieges jeder gegen jeden“, als „kalten Geschäftsbanker“, „verwöhntes Kind der Eliten“. Den Rücken leicht rund, den Kopf etwas eingezogen, gleicht Macron einem von der Wucht der gegnerischen Attacken in die Enge getriebenen Boxer. Der 39Jährige versucht, mit Ironie zu kontern. Sie deutet dies offenbar als Schwäche, legt nach. Er schlägt zurück, nennt sie eine „Unsinn erzählende Lügnerin“. Die Moderatoren haben nicht viel zu melden. Die Studiogäste fallen einander ins Wort, versuchen, einander zu übertönen.
US-Wahlkampf Donald Trump gegen Hillary Clinton zu Felde zog, mischt Le Pen Wahres, Halbwahres und offensichtliche Lügen zum provokativen Cocktail. Das Vorgehen verheißt doppelten Lohn. Zum einen mag es den Widersacher aus der Reserve locken. Zum anderen verhindert es eine sachliche Debatte.
Macron hat keinen leichten Stand. Während die Schläge auf ihn einprasseln, muss er versuchen, das Gleichgewicht zu halten. Kontert er mit rhetorischer Eleganz, mag die Widersacherin ihn einen überheblichen, volksfernen Eliteuniabsolventen nennen. Bleibt er nüchtern und sachlich, wird sie versuchen, ihn als volksfernen Technokraten auszuweisen. Erschwerend kommt hinzu, dass er propagiert, was die Mehrheit der Franzosen bisher nie gewollt hat und vermutlich noch immer nicht will: sich der Welt öffnen, wie sie nun einmal ist, sich der Globalisierung stellen, der internationalen Konkurrenz, der Immigration und gemeinsam mit den europäischen Partnern das Beste aus all dem zu machen.
Laut Umfragen zahlt sich der Konfrontationskurs nicht aus. Einer Blitzumfrage zufolge halKaum