Alte Liebe rostet nicht Retro macht Mode: Die schrägen Hintergründe, warum sich die Motorradhersteller einer Zeitreise in die Vergangenheit hingeben.
In der Autowelt war und ist Retro lediglich eine Modeerscheinung am Rande: Nur der Fiat 500 schaffte es in die Breitenwirkung, der VW Beetle schaffte es zwar in die Herzen – aber nicht ganz in die Bestenliste bei den Verkaufszahlen.
Bei den Motorrädern scheint die Sehnsucht nach der Vergangenheit größer. Und der Markt reagierte. Chrom statt Kunststoff, Zylinderköpfe zum Angreifen, Klarglasscheinwerfer so groß wie Unterteller, untermalt von einer Optik, die frisch aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts zu sein scheint. Von BMW bis Triumph, von Honda bis Yamaha.
Tim Diehl-Thiele, Leiter Kommunikation BMW Motorrad, sagt: „Es geht nicht nur um Geschwindigkeit und Adrenalin, sondern immer mehr auch um Entschleunigung und Gelassenheit. Rund um dieses Lebensgefühl ist eine neue Motorradkultur entstanden.“BMW hat ja um die R-nineT-Modelle eine Produktfamilie erschaffen, für die man sich vom Genpool aus der Vergangenheit bediente. Ebenso spielt Triumph das Ass der Geschichte gekonnt aus.
zu dieser starken Sehnsucht nach Vergangenheit sind nicht ganz klar zu verorten. Einerseits scheint die
eine große Rolle zu spielen. In einer Welt, die im digitalen Umbruch immer mehr Menschen verunsichert, verheißt die analoge Vergangenheit – selbst wenn sie nur auf zwei Rädern steht – Sicherheit.
Und viele, die als Jugendliche von diesen Maschinen träumten, können es sich jetzt leisten, ihre Träume zu verwirklichen – und zahlen auch manche Preise, die nicht retro, sondern samt Extras sogar State of the Art sind. Diese Zielgruppe ist weder mit Maschinen jenseits der 100 PS zu ködern noch mit Cockpit-Hightech-Spielereien, die jedes Handy besser kann.
Die Retrobikes erwecken außerdem noch den Anschein sozialer Verträglichkeit, weil sie einfach schön anzuschauen sind und weit weg vom verpönten Heizercredo und dem Knieschleiferimage.
Es hat sich sogar eine richtige Szene entwickelt. Zum Beispiel die Titan-Motorcycle-Schmiede in Graz, die unter anderem Motorräder im Retro-Stil neu erschafft. Oder die Mash-Motorräder, die überhaupt nur auf Vergangenheit setzen.
Ein Ende des Trends? Nicht absehbar. Diehl-Thiele: „Dieses neue Motorrad-Lebensgefühl ist und bleibt ein ganz wichtiger Faktor in unserer Motorradbranche.“