Demokratie schafft Demokratie ab?
D ie von Recep Tayyip Erdog˘an anscheinend beabsichtigte Staatsform kann nicht mit den präsidialen Regierungssystemen in den USA oder in Frankreich verglichen werden. In beiden Ländern ist durch die Gewaltenteilung eine für die Demokratie wesentliche Kontrolle durch die unabhängige Justiz und das frei gewählte Parlament gegeben. Selbst wenn – wie in den USA – die Partei des Präsidenten im Kongress über die Mehrheit verfügt, hat der Präsident keine unumschränkte Machtfülle. So konnte Trump schon einige seiner im Wahlkampf gemachten Ankündigungen letztlich nicht durchsetzen. Auch die „größte Steuerreform der Geschichte“könnte selbst im Kongress auf Widerstand stoßen.
Erdog˘an will hingegen die gesamte Macht in seiner Person vereinen und jede Opposition und Kontrolle unterdrücken. Dies zeigte sich schon in seinem bisherigen, beabsichtigten Vorgehen durch Massenverhaftungen und durch weitgehende Ausschaltung des Parlaments und der unabhängigen Justiz. Trotz Unterdrückung der Meinungsfreiheit sowie oppositioneller Medien im Zuge des Verfassungsreferendums reichte es nur zu einer knappen Mehrheit. Ohne Ausnahmezustand und bei fair durchgeführter Befragung hätte er mit größter Wahrscheinlichkeit verloren. So ist hingegen der entscheidende Schritt zur Errichtung eines gottesstaatlichen Ein-Mann-Systems gegeben. Bedenklich bleibt, dass sich Erdog˘an auch bei nur einer Stimme Überhang bei fast 50 Millionen tatsächlichen Wählern legitimiert gesehen hätte, die Gewaltenteilung als Kernstück jeder Demokratie weitgehend abzuschaffen. Und dies ereignet sich in Zeiten, in denen ohnehin die Ansicht um sich greift, es wäre alles besser als der derzeitige Zustand und eine starke Führung sei nötig. S o leicht sollte aber eine Demokratie auf angeblich demokratische Weise doch nicht abgeschafft werden können. Das deutsche Grundgesetz erklärt daher Änderungen wichtiger Teile des Grundgesetzes ausdrücklich für unzulässig. Der demokratische Bundesstaat und die Gewaltenteilung dürfen nicht geändert werden. Jedem wird diesbezüglich ein Widerstandsrecht zugebilligt.
„Ohne Ausnahmezustand und bei fair durchgeführten Wahlen hätte Erdog˘ an mit größter Wahrscheinlichkeit verloren.“