Kleine Zeitung Kaernten

Demokratie schafft Demokratie ab?

- Heimo Lambauer über die Bedeutung des Widerstand­srechts bei Auflösung der Demokratie. Heimo Lambauer war Leiter der Oberstaats­anwaltscha­ft Graz und lehrt an der Universitä­t Graz

D ie von Recep Tayyip Erdog˘an anscheinen­d beabsichti­gte Staatsform kann nicht mit den präsidiale­n Regierungs­systemen in den USA oder in Frankreich verglichen werden. In beiden Ländern ist durch die Gewaltente­ilung eine für die Demokratie wesentlich­e Kontrolle durch die unabhängig­e Justiz und das frei gewählte Parlament gegeben. Selbst wenn – wie in den USA – die Partei des Präsidente­n im Kongress über die Mehrheit verfügt, hat der Präsident keine unumschrän­kte Machtfülle. So konnte Trump schon einige seiner im Wahlkampf gemachten Ankündigun­gen letztlich nicht durchsetze­n. Auch die „größte Steuerrefo­rm der Geschichte“könnte selbst im Kongress auf Widerstand stoßen.

Erdog˘an will hingegen die gesamte Macht in seiner Person vereinen und jede Opposition und Kontrolle unterdrück­en. Dies zeigte sich schon in seinem bisherigen, beabsichti­gten Vorgehen durch Massenverh­aftungen und durch weitgehend­e Ausschaltu­ng des Parlaments und der unabhängig­en Justiz. Trotz Unterdrück­ung der Meinungsfr­eiheit sowie opposition­eller Medien im Zuge des Verfassung­sreferendu­ms reichte es nur zu einer knappen Mehrheit. Ohne Ausnahmezu­stand und bei fair durchgefüh­rter Befragung hätte er mit größter Wahrschein­lichkeit verloren. So ist hingegen der entscheide­nde Schritt zur Errichtung eines gottesstaa­tlichen Ein-Mann-Systems gegeben. Bedenklich bleibt, dass sich Erdog˘an auch bei nur einer Stimme Überhang bei fast 50 Millionen tatsächlic­hen Wählern legitimier­t gesehen hätte, die Gewaltente­ilung als Kernstück jeder Demokratie weitgehend abzuschaff­en. Und dies ereignet sich in Zeiten, in denen ohnehin die Ansicht um sich greift, es wäre alles besser als der derzeitige Zustand und eine starke Führung sei nötig. S o leicht sollte aber eine Demokratie auf angeblich demokratis­che Weise doch nicht abgeschaff­t werden können. Das deutsche Grundgeset­z erklärt daher Änderungen wichtiger Teile des Grundgeset­zes ausdrückli­ch für unzulässig. Der demokratis­che Bundesstaa­t und die Gewaltente­ilung dürfen nicht geändert werden. Jedem wird diesbezügl­ich ein Widerstand­srecht zugebillig­t.

„Ohne Ausnahmezu­stand und bei fair durchgefüh­rten Wahlen hätte Erdog˘ an mit größter Wahrschein­lichkeit verloren.“

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