Kleine Zeitung Kaernten

Der große Tag des Parlaments

REPORTAGE.

- Von Thomas Götz

Selten wird das Parlament als Widerlager der Regierung so gut kenntlich wie an diesem Tag der Überraschu­ngen.

Ein „Pakt der Verantwort­ung“beendet diesen Tag. Neos-Chef Matthias Strolz hat ihn vorgeschla­gen in hitziger Redeschlac­ht, damit nicht wieder Milliarden mit wechselnde­n Mehrheiten verpulvert werden vor der Wahl. SPÖ und ÖVP haben zugestimmt, freut sich der Opposition­spolitiker.

Um acht in der Früh hatte es anders ausgesehen. Trauben von Kamerateam­s lauern in den Wandelgäng­en des Parlaments. Der Ministerra­t tagt ausnahmswe­ise hier, es geht um viel. Wird Christian Kern Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er akzeptiere­n als seinen Vizekanzle­r oder weiter beharren auf dem neuen ÖVP-Chef ?

Sebastian Kurz steht im Scheinwerf­erkegel und sagt, was er immer gesagt hat: Konstrukti­v wolle man am gemeinsame­n Programm weiterarbe­iten, sieben Punkte der ÖVP nennt er, zehn der SPÖ. Vize aber soll Brandstett­er sein, wiederholt Kurz. Die SPÖ-Minister empören sich, einer nach dem anderen. Der neue Machthaber in der ÖVP solle selbst die Verantwort­ung übernehmen, nur so sei konstrukti­ve Arbeit möglich. Es ist eine gute Gelegenhei­t – nicht die letzte an diesem Tag –, noch einmal alle Vorwürfe gegen den neuen Gegenspiel­er aufzuliste­n, vor allem aber einen: Kurz scheue Verantwort­ung. Zuletzt biegt noch der Bundeskanz­ler ums Eck stößt in dasselbe Horn.

Eine Stunde später beginnt die Nationalra­tssitzung. Nichts ist wie geplant. Nur ein Thema interessie­rt – wie es weitergeht. Gerade hat der Kanzler eine Rede für die Mittagszei­t angekündig­t. Kurz nützt das Fehlen Kerns am Vormittag, seine Deutung der Ereignisse vorzubring­en. Die Opposition schießt sich auf ihn ein, unterbrich­t ihn wieder und wieder. Kurz wartet, redet ruhig weiter, geht auf

und

die Vorwürfe gar nicht ein. Er werde die SPÖ nicht überstimme­n, Z betont er wieder. u Mittag spricht der Kanzler. Ein Vizekanzle­r Brandstett­er sei kein Problem, sagt er nun, aber die Pläne der Regierung werde er direkt dem Parlament vorlegen, sagt Kern. Also keine Regierungs­vorlagen mehr, der Ministerra­t nur noch als Staffage. Ein Ende der Regierung, ohne dass es sichtbar würde. Die Probe aufs Exempel kommt sofort. Die Grünen bringen den Antrag ein, die Gleichsetz­ung der Partnersch­aft homosexuel­ler Paare mit der Ehe verpflicht­end noch vor dem Sommer zu behandeln. Das war eines der Projekte, die der Kanzler auch gegen den Willen der ÖVP beschließe­n wollte, hatte er im ORF angekündig­t. Wie würde die Partei sich nun verhalten?

Die SPÖ-Abgeordnet­en stimmten zähneknirs­chend nicht mit. Ein paar Stunden später schon sitzen Vertreter der Regierungs­parteien wieder beieinande­r und beraten, welche Gesetze sie noch durchbring­en wollen und wie. Die erste Gelegenhei­t, das freie Spiel der Kräfte zu versuchen und damit den Koalitions­pakt zu sprengen, ging ungenützt vorüber.

Am Nachmittag lud Christian Kern die anderen Parteichef­s ins Kanzleramt, um über den Wahltermin zu reden. Der 15. Oktober war bald ermittelt, er soll in der letzten Parlaments­sitzung vor der Sommerpaus­e, also Ende Juni, beschlosse­n werden. Und noch etwas handelten die Parteichef­s aus: Der Eurofighte­r-Untersuchu­ngsausschu­ss wird bis Mitte Juli tagen, länger also als ursprüngli­ch D angenommen. er Ausschuss, der die Beschaffun­g der Eurofighte­r und die Vertragsmo­difikation­en durch Verteidigu­ngsministe­r Darabos behandeln soll, hatte auch die Diskussion nach der Kanzlerred­e dominiert. Peter Pilz warf Kurz vor, sein Ziel sei gewesen, den Ausschuss nur die Akte Darabos aufarbeite­n zu lassen. Das Parlament habe aber nicht vor, diesem Wunsch nachzukomm­en, warf er Kurz wütend hin. Selbstvers­tändlich würden auch der Beschaffun­gsvorgang selbst und vor allem mögliche Schmiergel­dflüsse in der Zeit der Regierung Schüssel Thema sein, versprach Pilz, der den Ausschuss gemeinsam mit der FPÖ Mauf Schiene gebracht hatte. itten in der schrillen Debatte erhebt sich Wolfgang Brandstett­er, der designiert­e Vizekanzle­r, von seinem Stuhl zwischen Kern und Kurz. Vertrauen sei das Wichtigste, sagt er. Geht es verloren, „muss man zu einem Ende kommen“. Aber, fügt er an, „was möglich ist, gehört gemacht“. Er wolle aber keine großen Erwartunge­n wecken. Dann erinnert er daran, wie er gemeinsam mit ÖBB-Chef Christian Kern jugendlich­en Straftäter­n vor drei Jahren die Chance geben konnte, beim Säubern besprayter Waggons mitzumache­n. Das habe Vertrauen zu ihm geschaffen. „Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Ihnen“, sagt Brandstett­er.

 ??  ??
 ?? APA ?? Opposition dominiert: heftige Kritik an der Regierung und ein gemeinsame­r Beschluss des Wahltags
APA Opposition dominiert: heftige Kritik an der Regierung und ein gemeinsame­r Beschluss des Wahltags
 ?? APA ?? Widerwilli­ge Zustimmung: Kanzler Kern, Vize Brandstett­er
APA Widerwilli­ge Zustimmung: Kanzler Kern, Vize Brandstett­er
 ??  ?? Vom Staatssekr­etär zum Minister: Harald Mahrer mit Sebastian Kurz. Sein alter Posten bleibt vakant
Vom Staatssekr­etär zum Minister: Harald Mahrer mit Sebastian Kurz. Sein alter Posten bleibt vakant

Newspapers in German

Newspapers from Austria